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Politik & Gesellschaft

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MAA spricht mit Ehsan Farsi

Vom Flüchtlingskind zum erfolgreichen Jung-Unternehmer: Ehsan Farsi

Ehsan Farsi kam als Kind auf der Flucht aus Afghanistan nach Deutschland – heute leitet er ein erfolgreiches Bildungsinstitut und gibt hunderten Jugendlichen Orientierung, Mut und neue Perspektiven. Im Interview spricht er offen über seine prägenden Erfahrungen und darüber, was ihn antreibt, Chancen weiterzugeben.

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Bild: Ehsan Farsi

Ehsan, deine Eltern flohen aus Afghanistan, weil sie politisch verfolgt wurden. Du selbst wurdest während der Flucht geboren. Was bedeutete diese Lebenssituation für dich und deine Familie?


Meine Familie floh zunächst aus Afghanistan in den Iran, weil sie dort Schutz vor politischer Verfolgung suchte. Aber auch dort wurden wir als Afghanen diskriminiert und sozial ausgeschlossen. Mein Vater versuchte, sich wirtschaftlich zu etablieren, unter anderem mit einer Wechselstube – doch solche Geschäfte waren dort staatlich reguliert und damit illegal. Als das aufflog, erhielt er eine Morddrohung – nicht nur gegen sich, sondern gegen die ganze Familie.


"Ich habe früh gespürt, dass mein Leben unter besonderen Bedingungen begonnen hat"


In dieser Nacht entschloss er sich zur Flucht. Meine Mutter wusste zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass sie mit mir schwanger war. Ich wurde während dieser Flucht geboren – in Warschau. Der Pass sagt „Afghanistan“, aber ich bin unterwegs zur Welt gekommen, zwischen Stationen, ohne Heimat. Das hat mich natürlich geprägt. Ich habe früh gespürt, dass mein Leben unter besonderen Bedingungen begonnen hat.



Wie verlief das Ankommen in Deutschland für euch?

Wir wurden verschiedenen Erstaufnahmeeinrichtungen zugewiesen, von Karlsruhe über Göppingen, von da aus weiter nach Neckarsulm und dann nach Aalen. In Aalen haben wir schließlich länger Halt gefunden. Aber „ankommen“ bedeutete nicht, dass man wirklich Teil der Gesellschaft ist. Es gab keine umfassende Begleitung. Meine Eltern waren mit dem deutschen System komplett überfordert – sie kannten weder Sprache noch Strukturen.

Ich musste sehr früh Verantwortung übernehmen. Ich habe Formulare ausgefüllt, bei Ämtern übersetzt, Entscheidungen mitgetragen, obwohl ich selbst kaum älter als zehn war. Das alles lief neben der Schule, die für mich ohnehin eine Herausforderung war. Mir fehlte das Verständnis, mir fehlte Unterstützung – ich war in zwei Welten unterwegs, ohne in einer richtig verankert zu sein.



Welche Erfahrungen hast du in der Schulzeit gemacht – insbesondere, was Integration und Chancengleichheit betrifft?


Ich war der einzige Schüler mit Migrationshintergrund, der einzige Muslim, der einzige, der mit Essensgutscheinen in die Mensa ging. Das erzeugte Druck, Unverständnis, soziale Ausgrenzung. Viele Mitschüler wussten nicht, warum ich solche Gutscheine hatte – es kamen Bemerkungen wie „Ihr bekommt doch sowieso alles geschenkt“.


Akademisch hatte ich Potenzial. Ich stand mit einem Schnitt von 2,4 an der Grenze zur Gymnasialempfehlung. Meine Lehrerin meinte, ich solle besser auf die Realschule gehen – zu Hause gäbe es keine ausreichende Unterstützung. Meine Mutter aber bestand auf dem Gymnasium, weil sie dachte: Nur dort kann man später studieren. Dass es auch andere Wege gibt, wusste sie nicht. Das war ein großer Druck – für sie wie für mich.



Gab es Momente, in denen du das Vertrauen in dich selbst oder das System verloren hast?


Ja, viele. Besonders nach dem Schulwechsel auf die Realschule und der Scheidung meiner Eltern. Ich fühlte mich oft isoliert und orientierungslos. Es gab keine richtige Anleitung, niemand, der mir sagte: „Du kannst das schaffen.“ Schule war für mich ein Ort der Unsicherheit.


"Ich fühlte mich oft isoliert und orientierungslos"


Ich erinnere mich gut, wie ich versucht habe, meine Essensgutscheine unauffällig gegen einen Chip einzutauschen, damit ich nicht auffalle. Das wurde abgelehnt. Danach habe ich oft auf das Mittagessen verzichtet. Ich war körperlich und emotional ausgelaugt. Diese Erfahrungen haben mich lange begleitet – sie prägen das Selbstbild und den Blick auf das eigene Potenzial. So war ich dann schließlich ein Schulabgänger und Schulabbrecher mit einem Notenschnitt von 4,8.



Was hat dir letztlich geholfen, dich wieder zu stabilisieren? Gab es einen Wendepunkt?


Ein ganz zentraler Faktor war das Boxen. Beim BCO Aalen fand ich zum ersten Mal eine echte Struktur. Vier, fünf Mal die Woche Training – das hat mir Halt gegeben. Ich war plötzlich nicht mehr „der Außenseiter“, sondern ein Sportler mit Disziplin und Zielen. Das hat mein Selbstbild verändert.


"Gleichzeitig habe ich erkannt, wie wichtig Bildung ist"


Gleichzeitig habe ich erkannt, wie wichtig Bildung ist und habe schließlich die mittlere Reife und später auch noch meine Fachhochschulreife mit einem Schnitt von 1,2 nachgeholt. Ich habe mir selbst bewiesen, dass ein Schulabbrecher - mit einem Schnitt von 4,8 – es trotzdem noch schaffen kann einen guten Abschluss zu bekommen. Deshalb habe ich angefangen, Nachhilfe zu geben. Erst für Bekannte, dann professioneller. Da habe ich gemerkt: Bildung ist nicht nur ein Weg raus – Bildung ist mein Thema.



Du hast dich sogar bei der Polizei beworben. Warum hat dieser Weg am Ende nicht funktioniert – und wie bist du damit umgegangen?


Ich war sehr weit im Prozess. Der Sporttest war für mich kein Problem. Doch bei der medizinischen Untersuchung stellte sich heraus, dass ich eine minimale Rotschwäche habe. Das genügte, um mich abzulehnen.


Das war ein Rückschlag, ja – aber auch eine Zäsur. Ich wusste: Ich muss mich neu orientieren. Ich arbeitete in der Logistik, im Lager, bei der Post. Aber ich merkte: Ich will mit Menschen arbeiten. Ich will gestalten. Also habe ich mich auf das konzentriert, was ich schon nebenher machte: Nachhilfe geben.


Daraus ist Schritt für Schritt ein Beruf geworden – und heute ein Unternehmen. Heute leite ich ein Nachhilfeinstitut, welches mit mehreren Schulen zusammenarbeitet. Über 500 Schüler:innen nehmen jährlichen an unseren Kursen teil – von Grundschule bis Oberstufe. Unterstützt werde ich dabei von einem Team aus über 10 engagierten Mitarbeiter:innen, darunter Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte und Verwaltungsmitarbeitende. Wir begleiten Kinder und Jugendliche nicht nur fachlich, sondern stärken auch ihr Selbstvertrauen und ihre persönliche Entwicklung. Es ist unglaublich erfüllend zu sehen, wie aus anfänglicher Unsicherheit echtes Selbstbewusstsein entsteht. Dieses Wachstum – fachlich und menschlich – ist das, was mich antreibt.



Was treibt dich in deiner heutigen Arbeit an?

Mich treibt der Gedanke an, dass jedes Kind das Potenzial hat, Großes zu erreichen – wenn es die richtigen Bedingungen bekommt. Ich sehe mich heute in vielen meiner Schüler:innen wieder. In ihrem Zweifel, in ihrer Unsicherheit, in ihrer Suche nach Zugehörigkeit. Und ich will genau dort ansetzen, wo ich selbst oft allein war.


In meinem Institut geht es nicht nur um Mathe oder Englisch. Es geht darum, Kinder und Jugendliche zu stärken. Ihnen zu zeigen: Du bist wichtig. Du kannst etwas verändern. Wir arbeiten eng mit Schulen zusammen, führen Förderprogramme durch, bieten Motivationstrainings an – und begleiten viele Jugendliche über Jahre hinweg.


"Mein Herz schlägt für Bildung"


Ich halte Vorträge, berate Lehrer:innen, bilde pädagogisches Personal weiter. Mein Herz schlägt für Bildung – aber nicht als abstraktes Konzept, sondern als Werkzeug für echte gesellschaftliche Teilhabe. Ich will Barrieren abbauen, Zugänge schaffen und jungen Menschen zeigen: Es gibt Wege – auch dann, wenn du gerade keinen siehst.



Was möchtest du Jugendlichen mitgeben, die sich heute nicht gesehen fühlen oder an sich zweifeln?


Ich möchte dir sagen: Du bist nicht allein. Es ist okay, wenn du zweifelst. Es ist okay, wenn du nicht weiterweißt. Aber glaube mir: Auch wenn du dich jetzt klein fühlst – du trägst alles in dir, um Großes zu erreichen.


Umgib dich mit Menschen, die dich stärken. Suche dir ein Umfeld, das dich wachsen lässt. Und wenn du es gerade nicht findest – dann schaffe dir dein eigenes. Engagiere dich. Probiere dich aus. Habe den Mut, Fehler zu machen – denn genau aus diesen lernst du am meisten.


Ich weiß, dass es manchmal nur ein einziger Mensch ist, der den Unterschied macht. Für mich war es ein Trainer, ein Lehrer, ein Freund. Heute will ich selbst dieser Mensch für andere sein – und ich wünsche dir, dass du ihn findest. Und vielleicht wirst du später selbst so jemand – für jemand anderen. Das ist das Schönste, was du tun kannst.

 

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