
MAA spricht mit Hanna May
Zwischen Schwangerschaft und Menopause: Wie Bewegung Frauen durch jede Lebensphase stärkt
Hanna May ist Physiotherapeutin aus Leidenschaft. Sie setzt sich dafür ein, dass Frauen ihren Körper besser verstehen und stärken – besonders den oft vernachlässigten Beckenboden, der eine zentrale Rolle für Wohlbefinden und Gesundheit spielt. Im Interview spricht sie offen über die Herausforderungen und Chancen in verschiedenen Lebensphasen und wie gezieltes Training Frauen hilft, sich stark und selbstbewusst zu fühlen.
MENSCHEN-AALEN.DE wird unterstützt durch
Das könnte dich auch interessieren
Bild: Hanna May, privat
Hallo Hanna, was hat dich dazu bewegt, Physiotherapeutin zu werden und wie bist du dann zur prä- und postnatalen Betreuung gekommen?
Meine Mama ist Heilpraktikerin, daher war das Thema „Menschen helfen“ bei uns zu Hause schon immer präsent. Bewegung und Sport waren für mich sowieso wichtig – ich war lange als Leistungsschwimmerin aktiv. Auf einer Berufsmesse habe ich dann den Stand einer Physiotherapieschule entdeckt, der mich total angesprochen hat. Wir haben uns die Schule angeschaut und ich habe bereits Anfang der elften Klasse beschlossen: Das mache ich! Ich habe mich dann beworben und tatsächlich schon etwa anderthalb Jahre vor Beginn der Ausbildung meinen Platz bekommen. Im Nachhinein denke ich mir oft, wie viel Glück ich hatte, dass alles so gut zusammengepasst hat. Die Arbeit mit Menschen liegt mir durch meine Mama ohnehin und auf der Messe hat mich das Konzept der Schule überzeugt. Dass dann auch der Beruf selbst so gut zu mir passt, war wirklich ein Glücksfall.
Ich bin jetzt seit zwei Jahren prä- und postnatale Trainerin. Ich habe die Ausbildung online gemacht – das war eine Fortbildung, die prinzipiell jeder machen kann, also auch Quereinsteiger. Ich wollte für die Weiterbildung nicht noch einmal extra irgendwohin fahren, weil ich das ja schon für die Physiotherapieausbildung gemacht hatte. Trotzdem war die Ausbildung zeitintensiv und inhaltlich gut. Einige Dinge wollte ich aber anders machen – deshalb habe ich meine eigene Note eingebracht und das Therapeutische stärker einfließen lassen, nicht nur den sportlichen Aspekt. Daraus ist dann mein eigenes Konzept entstanden. Den Impuls dazu habe ich auch durch meine beiden Schwestern bekommen, die Kinder haben und mich immer wieder gefragt haben, was man in der Schwangerschaft oder danach machen kann.
Oft läuft es ja so, dass man erst selbst schwanger ist und sich dann mit Themen wie Beckenboden, Fitness in der Schwangerschaft und danach beschäftigt. Das ist bei mir anders – ich habe keine Kinder, aber ich habe mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und viel Austausch mit anderen gehabt. Ich glaube, das fachliche Wissen ist bei mir sehr stark ausgeprägt.
Wie war das denn mit dieser Zusatzausbildung – musstest du die selbst bezahlen?
Ja, das muss man selbst bezahlen. Es war ein privater Anbieter. In der Physiotherapie und im Sportbereich ist es eigentlich immer so, dass man selbst zahlen muss.
Auf deiner Website habe ich den Spruch gelesen: „Tu deinem Körper etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Den Spruch finde ich wirklich sehr schön. Was genau begeistert dich denn speziell an der Frauengesundheit?
Also erst mal: Ich bin ja selbst eine Frau – und der weibliche Körper ist einfach anders als der männliche. Über meine osteopathische Ausbildung und über die Physio bekomme ich mit, wie sehr alles auf den männlichen Körper ausgerichtet ist. Medikamente zum Beispiel, vor allem Herzinfarkt-Medikamente, wurden fast ausschließlich an Männern getestet. Das zieht sich durch alle Bereiche.
Mich fasziniert, wie vielseitig der weibliche Körper ist – hormonell gesehen allein schon durch den Zyklus, mit seinen verschiedenen Phasen. Ich finde es schade, wenn jemand sagt, dass Frauen während ihrer Periode nicht so leistungsfähig sind. Natürlich kann es Einschränkungen geben, aber in anderen Zyklusphasen ist man dann wiederum viel leistungsfähiger, weil die Hormone einen regelrecht pushen. Ich versuche da, eine positive Sichtweise zu vermitteln.
Mir ist es wichtig, Themen aus der Tabuzone zu holen – zum Beispiel den Beckenboden. Der sollte kein reines Schwangerschaftsthema sein, sondern uns das ganze Leben begleiten. Auch Regelschmerzen und Endometriose sind solche Themen. Das alles fasziniert mich einfach sehr – man kann sich in dieser Thematik regelrecht verlieren. Und aus dem Thema Beckenboden oder Frauengesundheit heraus ergibt sich automatisch auch der Blick auf den ganzen Körper.
Ja, das ist spannend. Frauen sind oft belastbarer als man denkt.
Ja, genau. Meine Patientinnen oder Kursteilnehmerinnen sagen oft, dass es nie um sie selbst geht. Es gibt Angebote wie „Babymassage“, „Bewegung mit Baby“, „Musik mit Baby“, „Babyschwimmen“ – aber alles dreht sich ums Baby. Es gibt so gut wie nichts, das sich wirklich ausschließlich um die Frau dreht.
Dann kommt der Rückbildungskurs und danach passiert oft gar nichts mehr. Während der Schwangerschaft wird gesagt: „Mach nicht zu viel, beweg dich nicht zu stark, dein Puls darf nicht über 130.“ Das stimmt so aber nicht! Es geht vielmehr darum, seinen Körper neu kennenzulernen – und man kann sich in der Schwangerschaft durchaus sportlich fordern, natürlich immer innerhalb der eigenen Grenzen.
Mein Kurs zur Menopause ist zum Beispiel auch total spannend. Das sind Frauen, die früher einen Beruf hatten, gearbeitet haben, dann kamen die Kinder, dann das Haus, der Mann, die Familie – wie es eben auf dem Land oft so ist. Viele von ihnen haben sich selbst immer hinten angestellt, alles unter einen Hut gebracht. Und das ist natürlich nichts Schlechtes, aber jetzt sind die Kinder aus dem Gröbsten raus, vielleicht Teenager oder sogar schon ausgezogen – und plötzlich steht die Frau wieder im Mittelpunkt. Das ist so spannend zu beobachten! In dem Kurs blühen viele richtig auf. Sie lassen sich darauf ein, genießen es richtig, dass es jetzt um sie geht, und nehmen sich ganz bewusst die Zeit dafür.
Ich kann mir vorstellen, dass Frauen das richtig toll finden – sich auszupowern und einfach mal wieder etwas für sich selbst zu machen.
Genau – Es geht nicht nur um den Körper, sondern auch um die Persönlichkeit, um Gefühle. Ganz einfach gesagt: Ich mache Sport, dann habe ich einen Endorphin-Schub – mir geht es also körperlich und seelisch besser, ich bin glücklicher.
Und wenn man dann noch den richtigen Sport macht – also einen, der nicht zu Inkontinenz führt oder Blasenschwäche verstärkt – dann hat man auch wirklich Lust, weiterzumachen. Es geht darum, alles zusammenzubringen: Körper, Seele, Gesundheit. Und dann geht es den Frauen nach dem Training einfach spürbar besser.
Kannst du Punkte nennen, die man speziell in den drei Phasen Schwangerschaft, Rückbildung und Menopause besonders beachten sollte? Wo liegen die größten Unterschiede?
Mein zentrales Thema ist der Beckenboden. Dabei geht es nicht darum, eine Stunde lang nur anzuspannen und zu entspannen. Das Thema ist viel komplexer.
Mir ist es wichtig, dass Frauen in der Schwangerschaft überhaupt erst einmal Begriffe wie „Beckenboden“ kennenlernen. Oder auch: Wie steht das Becken im Körper? Kippe ich eher nach vorne oder nach hinten? Wie stark kann ich diese Muskelschicht anspannen? Viele sprechen immer von der „Rumpfmuskulatur“ – aber was bedeutet das eigentlich? Es geht hier um die tiefen Bauchmuskeln und die quer verlaufenden Muskeln, die wie ein Korsett wirken. Sie stabilisieren die Wirbelsäule – auch wenn der Bauch wächst. Und trotzdem kann man dabei sportlich aktiv bleiben. Es geht mir um Körperwahrnehmung und um die praktische Umsetzung.
Übrigens: Vor meiner Ausbildung hatte ich das Wort „Beckenboden“ noch nie in meinem Leben gehört. Ich wusste gar nicht, was das ist. Und so geht es auch heute noch vielen Schwangeren, die zum ersten Mal in meinen Kurs kommen.
"Übrigens: Vor meiner Ausbildung hatte ich das Wort „Beckenboden“ noch nie in meinem Leben gehört. Ich wusste gar nicht, was das ist. Und so geht es auch heute noch vielen Schwangeren, die zum ersten Mal in meinen Kurs kommen."
Der Beckenboden ist relativ „versteckt“, man sieht nicht direkt, ob man ihn anspannt oder entspannt – deshalb ist es so wichtig, erst einmal ein Gefühl dafür zu bekommen.
Ich versuche ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass alles, was physisch passiert, auch den Beckenboden betrifft. Er trägt das Kind – und bei der Geburt wirkt sehr viel Druck auf ihn, was ihn natürlich überdehnt. Man könnte sagen, der Beckenboden „leidet“ bei der Geburt – auch wenn das vielleicht ein hartes Wort ist. Jedenfalls: Wenn man in der Schwangerschaft schon weiß, was der Beckenboden ist, ist es nach der Geburt viel einfacher, ihn wieder aktivieren zu können – und den kompletten Körper.
Ich selbst mache keine Rückbildung, das übernehmen die Hebammen. Ich dürfte zwar Rückbildungskurse anbieten und habe die entsprechende Fortbildung – aber ich habe keine Kapazitäten dafür. Ich biete stattdessen einen Aufbaukurs an – also den Kurs nach dem Rückbildungskurs. Da ist es natürlich super, wenn die Frauen ihren Beckenboden schon kennen und vielleicht auch meine Übungen schon gemacht haben. Dann steigen sie wieder in den Sport ein – mit Berücksichtigung des Beckenbodens, der oft noch geschwächten Bauchmuskulatur und einer insgesamt angepassten Belastung. Der Fokus liegt hier auf dem Wiedereinstieg in den Sport – mit stabilem Beckenboden und stabiler Körpermitte. Es geht darum, den Bauch zu aktivieren und den Rücken zu stützen – um die „Core Stability“, wie man es nennt.
Und wie sieht es in den Wechseljahren aus?
In der Menopause verändert sich viel im Körper, vor allem durch die hormonellen Umstellungen. Das Bindegewebe wird weicher. Viele denken bei „Bindegewebe“ nur an Cellulite, aber Bindegewebe ist alles! Sogar Knochen sind im Ursprung Bindegewebe – nur eben sehr hartes. Auch Bandscheiben und Faszien gehören dazu. In den Wechseljahren wird dieses Gewebe weicher, lockerer – das ist physiologisch so. Deshalb sehen wir in dieser Phase zum Beispiel mehr Bandscheibenvorfälle – die Frauen können oft gar nichts dafür. Auch der Beckenboden wird schwächer, genau wie die Stützfunktionen der Bauchwand. Viele merken das: Früher konnten sie problemlos joggen gehen oder auf einer Party tanzen – und plötzlich passiert es, dass ein paar Tropfen Urin unkontrolliert entweichen. Das ist typisch für die Wechseljahre, aber: Man kann etwas dagegen tun!
Mir ist besonders wichtig das zu betonen: Es ist nicht „normal“, nur weil man Kinder bekommen hat oder „jetzt halt in den Wechseljahren“ ist. Dieses „ist halt so“ höre ich leider oft – auch von Ärzten oder Ärztinnen. Aber das stimmt nicht! Man muss sich damit nicht abfinden. Bewegung bringt den Stoffwechsel in Gang – und das ist entscheidend! Ich habe zum Beispiel in meinem Kurs einen festen Cardio Training-Anteil. Da wird alles durchblutet und das tut dem ganzen Körper gut. Gerade in der Menopause ist das wichtig.
Gibt es große Missverständnisse über den weiblichen Körper in diesen Lebensphasen?
Ja, definitiv! Schwangere haben oft viele Unsicherheiten. Ich höre ganz oft Fragen wie: „Darf ich das überhaupt noch?“ oder „Ich soll doch nicht mehr so lange auf dem Rücken liegen.“ Dann heißt es: „Ich habe gelesen, ich darf dieses oder jenes nicht mehr machen.“ Da gibt es viele Empfehlungen, viele Meinungen – und Schwangere haben dadurch oft das Gefühl, dass sie ständig aufpassen müssen. Sie wollen alles perfekt machen: das Richtige essen, sich richtig bewegen, nichts falsch machen. Und genau da möchte ich ansetzen: Ich möchte ihnen wieder einen besseren Zugang zu ihrem Körper und Körpergefühl ermöglichen.
Zum Beispiel heißt es oft: „Der Puls soll in der Schwangerschaft nicht über 130 gehen.“ Aber mal ehrlich – wenn du zwei Einkaufstüten trägst und dabei eine Treppe hochgehst, bist du auch sofort bei 130, selbst als sportliche Person. Das geht ganz schnell. Viel wichtiger ist: Wie fühlt es sich an? Tut es mir gut? Was sagt mein Atem? Habe ich Spannung im Körper? Mir geht es ums Körpergefühl, ich möchte die Frauen darin stärken, auf ihren eigenen Körper zu hören – und nicht nur auf die Pulsuhr oder irgendwelche Tabellen.
Mein Kurs für Schwangere geht über acht Wochen, einmal pro Woche. Und natürlich sieht man in der achten Woche einen Unterschied zur ersten. Die Frauen spüren diesen Wandel in ihrem Körper – und genau darum geht es.
Das ist dann aber kein Fitnessprogramm im klassischen Sinn, oder?
Genau. In meinen Kursen geht es nicht um ein „Abnehmprogramm“. Dafür müsste man täglich Sport machen, seine Ernährung umstellen, seinen Lifestyle überdenken, Stress regulieren – das ist ein viel größeres Thema. Mir geht es ums Körpergefühl und um die Gesundheit.
Wie ist das eigentlich bei Männern? Gibt es bei Männern auch bestimmte Lebensphasen, in denen man den Beckenboden speziell trainieren sollte?
Ja, absolut! Auch Männer haben natürlich einen Beckenboden – und auch da gibt es viele Missverständnisse. Der Beckenboden wird oft nur mit Inkontinenz in Verbindung gebracht, also eher negativ. Aber der Beckenboden ist so viel mehr: Er hat auch ganz viel mit Lust und Sexualität zu tun.
Das ist natürlich nicht der Hauptfokus in meinen Kursen – aber in der Einzeltherapie kommen durchaus auch Frauen zu mir, die sagen: „Ich spüre beim Sex nichts mehr“, oder: „Da ist kein Lustempfinden mehr“, oder die über Schmerzen beim Sex klagen. Und das darf natürlich nicht sein – das kann man behandeln! Ein gesunder Beckenboden sorgt für ein gutes Körpergefühl, für Freude an Bewegung, auch für sexuelle Lust. Und das gilt für Männer genauso wie für Frauen.
Bei Männern ist die Prostata ein großes Thema – gerade wenn sie älter werden. Ab einem bestimmten Alter verändert sich hormonell auch etwas bei Männern, die Prostata wird größer, fester – und auch dann wird der Beckenboden plötzlich relevant. Das Training muss dann ein bisschen anders aussehen, es gibt spezielle Übungen. Ich selbst habe meine Ausbildung für Frauen gemacht – auch aus Kapazitätsgründen biete ich keine Kurse für Männer an. Aber es gibt sie: Zum Beispiel in Rehakliniken oder speziellen Männergruppen. Da werden auch Übungen gemacht, um den Beckenboden zu trainieren, zum Beispiel durch gezieltes Anspannen, kombiniert mit Lockerungstechniken, manchmal auch mit Fußmassagen, um Spannungen zu lösen.
Auch ein Mann über 70 mit Prostata Problemen kann noch aktiv sein. Vielleicht hebt er sein Enkelkind vom Boden hoch – dann ist wichtig, dass der Beckenboden stabil ist, damit keine Inkontinenzprobleme auftreten.
Deshalb bin ich ein großer Fan davon, den Beckenboden unabhängig vom Alter oder Geschlecht in jede Bewegung und jedes Training mit einzubeziehen.
"Deshalb bin ich ein großer Fan davon, den Beckenboden unabhängig vom Alter oder Geschlecht in jede Bewegung und jedes Training mit einzubeziehen."
Denn wir brauchen einen gesunden Beckenboden – immer!
Kann man auch etwas machen, das dem Beckenboden total schadet?
Ja – zum Beispiel ihn ständig nur anzuspannen. Ein gesunder Beckenboden kann sich im richtigen Moment sowohl anspannen als auch entspannen. Letzteres ist mindestens genauso wichtig. Ein verspannter Muskel kann nämlich gar nicht mehr richtig aktiviert werden.
Wenn der Beckenboden verspannt ist, ist er schwach. Man muss ihn erst lösen – lockern. Auch das machen wir im Kurs: Ich zeige Übungen, mit denen man selbst den Beckenboden entspannen kann – durch Atemtechniken, Fußmassagen, Kiefermassagen. Im Körper hängt alles zusammen. Erst wenn der Beckenboden locker ist, kann man gezielt trainieren und ihn dann bewusst anspannen – und auch wieder entspannen.
Du entwickelst eigene Trainingspläne. Was ist dir dabei besonders wichtig?
Dazu muss ich noch einmal kurz auf die acht Einheiten eingehen – beim „Bellyworkout-Kurs“ für Schwangere und auch beim „Workout for Mom“ sind es jeweils acht aufeinander aufbauende Einheiten.
Im ersten Termin geht’s um Anatomie – also: Was ist der Beckenboden überhaupt, wie funktioniert er, wie finde ich ihn, wie spanne ich ihn richtig an? Es gibt viele Wahrnehmungsübungen, auch zur Entspannung. Nur wenn ich verstehe, wie mein Körper funktioniert, kann ich auch gezielt mit ihm arbeiten. Die Inhalte steigern sich dann von Stunde zu Stunde. Zum Beispiel beim Beckenbodentraining: Am Anfang lernst du, ihn überhaupt zu spüren und zu aktivieren. Später geht es darum, den Atem zu halten, dabei noch zu stehen oder dich zu bewegen – also richtig funktionelles Training.
Mir ist besonders wichtig, dass mein physiotherapeutisches Wissen einfließt – speziell im Kraftteil. Die Übungen sehen von außen vielleicht unscheinbar aus, aber sie sind gezielt. Ich achte sehr genau auf die saubere Ausführung. Nur so erreichen wir wirklich die Körpermitte.
Ich kombiniere verschiedene Ansätze – ein bisschen Pilates, ein bisschen funktionelles Training, ein paar Krafttrainingselemente, aber alles ohne große Gewichte. Es gibt einige Grundübungen, die immer vorkommen – zum Beispiel Squats, den Vierfüßlerstand oder Bridging – die werden dann gesteigert, z. B. mit kleinen Hanteln, Therabändern, Pilatesball oder Meditationskissen als Zusatzgewicht.
Nach den acht Einheiten wissen die Teilnehmerinnen, wie sie mit ihrem Körper umgehen können. Wie halte ich meine Körpermitte stabil? Wie aktiviere ich die richtigen Muskeln und wie entspanne ich auch wieder? Das Ziel ist, dass am Ende jede Frau sagen kann: „Ich verstehe meinen Körper und ich kann damit arbeiten.“
Beim Kurs für Frauen in der Menopause ist es etwas anders – der läuft fortlaufend und es gibt keine feste Steigerung. Dafür ist jede Stunde anders aufgebaut, mit viel Abwechslung.
Das hört sich echt nach einem richtig tollen Konzept an.
Ja, aber die Varianz ist so groß! Eine Stunde kann sich zum Beispiel komplett damit beschäftigen, wie Gehen überhaupt funktioniert – also, wie wir eigentlich gehen, was wir dabei ständig machen und warum es so wichtig ist, unser Becken dabei stabil zu halten.
Beim Gehen haben wir immer nur ein Bein am Boden. Wenn das eine Bein den Schritt macht, steht das andere komplett und trägt das ganze Gewicht. In dieser Phase muss ich mein Becken sowohl von außen als auch von innen stabil halten können. Das üben wir mit verschiedenen Formen des Einbeinstands. Man lernt dabei, wie man seinen Rumpf kontrolliert und die Bauchspannung hält.
Wenn ich ein Kind immer auf der linken Seite trage, dann tut mir irgendwann der Rücken weh – oder ein bestimmter Muskel. Wenn ich das nicht ausgleichen kann, entstehen Probleme. Und genau das kann man trainieren. Man kann lernen, das auszugleichen und den Körper stärken.
Dafür muss ich aber erst einmal ein Körpergespür entwickeln – wie fühlt sich das an, woher kommt das? Darum geht es mir: Das Verständnis dafür, wie mein Körper funktioniert und wie ich ihn ins Gleichgewicht bringe.
Also sind die Stunden unterschiedlich aufgebaut?
Ja, genau! Die Stunden haben unterschiedliche Schwerpunkte. Manchmal arbeiten wir mit Formaten wie Tabata – einfach weil das Spaß macht, da kann man sich richtig auspowern. Die Teilnehmerinnen gehen dann mit einem Grinsen raus und sagen: „Boah, geil, geschafft! War anstrengend!“
Okay, dann habe ich noch eine kurze Zwischenfrage. Bei dem Schwangerschaftskurs gibst du acht Einheiten. Ab welcher Woche empfiehlst du eine Teilnahme, bzw. bis zu welcher Woche können Schwangere mitmachen?
Meine Schwester Linda hat bis eine Woche vor der Geburt noch komplett bei meinem Kurs mitgemacht. Ich passe die Übungen entsprechend an, sodass man wirklich bis zum Schluss mitmachen kann. Dann bekommt man eben etwas leichtere Übungen. Die Teilnehmerinnen sind ja auch nicht alle gleich weit in der Schwangerschaft.
Man kann also so lange mitmachen, wie es einem guttut. Viele sagen, dass es ab der 35. oder 36. Woche wirklich anstrengend wird und dann wollen sie von selbst aufhören. Das finde ich auch gut, weil sie dann auf ihren Körper hören.
Anfangen darf man bei mir ab dem zweiten Trimester, also ab etwa der 11. oder 12. Woche – das hat rein rechtliche Gründe. Leider ist das erste Trimester mit einer höheren Fehlgeburtsrate verbunden. Das heißt nicht, dass Sport schuld daran wäre – überhaupt nicht! Da muss ich einfach aufpassen, um mich rechtlich abzusichern. Aber es gibt keine einzige Studie, die belegt, dass Sport zu Beginn der Schwangerschaft das Risiko einer Fehlgeburt erhöht.
Werden deine Kurse von der Krankenkasse übernommen?
Meine Kurse sind als Präventionskurse bei der Zentralen Prüfstelle für Prävention (ZPP) zertifiziert. Das bedeutet: Wenn man an mindestens 80 % der Termine teilnimmt, bekommt man von mir eine Teilnahmebescheinigung. Diese kann man dann bei der Krankenkasse einreichen und bekommt einen Großteil der Kosten erstattet. Diese Möglichkeit besteht nur, weil ich staatlich anerkannte Physiotherapeutin bin – das ist also auch ein Qualitätsmerkmal.
Wie kann man sich zu deinen Kursen anmelden?
Über meine Website www.maymotion-byhanna.de – da gibt es ein Kontaktformular. Meine Handynummer steht dort auch, man kann mich per WhatsApp oder Anruf erreichen. Ich bin offen für alle Fragen, auch wenn jemand sich nicht sicher ist, ob ein Kurs passt.
Ich bekomme oft Fragen wie: „Ich habe gerade mein zweites Kind bekommen – ist der Kurs das Richtige für mich?" Dann sprechen wir drüber. Es gibt bei mir keine Tabus – auch nicht in der Wortwahl. Ich sage nicht „untenrum“, ich benenne die Dinge klar. Das ist mir wichtig, weil sich alle wohlfühlen sollen.
Ich erzähle auch viel aus meinem eigenen Leben in den Kursen. Alles bleibt dort unter uns. Ich möchte, dass sich alle verstanden fühlen. Auch wenn man schon fünfmal im Beckenbodentraining war, darf man noch Themen haben – das ist völlig okay.
Und wie viele Teilnehmerinnen nimmst du maximal pro Kurs auf?
Beim „Workout for Mom“ nehme ich zehn Frauen auf, weil die Kinder mit dabei sind. Die bekommen Spielsachen, in der Mitte ist Platz zum Spielen. Die Kinder sind aber nicht in die Übungen integriert – auch wenn es natürlich mal vorkommt, dass ein Kind einen schlechten Tag hat. Dann trage ich es oder ich passe die Übungen entsprechend an.
Ich habe momentan zwei Kurse hintereinander laufen, weil ich 20 Anmeldungen hatte und natürlich niemandem absagen wollte.
Beim „Bellyworkout“ nehme ich zwölf Frauen. Beim Menopause-Kurs sind es 14 – und der ist auch voll. Ursprünglich waren es auch 12, aber dann kamen noch Anfragen, also habe ich aufgestockt. Ich habe inzwischen auch eine Warteliste – mal sehen, wie es weitergeht.
Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Ich arbeite zu 80 % in einer Physiotherapiepraxis in Abtsgmünd. Dort bin ich ganz klassisch als Physiotherapeutin angestellt, mit dem Schwerpunkt auf orthopädische Patienten. Mittlerweile kommen auch viele mit Beckenbodenthemen oder gynäkologischen Beschwerden zu mir. Ich habe einige Zusatzqualifikationen gemacht, zum Beispiel in manueller Therapie, Kinesiotaping, Krankengymnastik am Gerät und Lymphdrainage – das macht mir auch großen Spaß.
Der Arbeitsalltag ist ein bisschen wie Schichtarbeit organisiert: Ich arbeite nicht jeden Tag gleich. Montags bin ich immer früh in der Praxis, dienstags spät – das wechselt also etwas, damit wir möglichst viele Patienten und Patientinnen behandeln können. Um diesen Praxisalltag herum plane ich meine Kurse. Dienstagvormittags gebe ich zum Beispiel den Kurs „Workout for Mom“ – da wissen die Mamas auch, dass sie ihre Babys mitbringen dürfen. Das ist immer eine schöne Stimmung, etwa die Hälfte hat die Kleinen dabei, das ist ganz entspannt.
Meine Kurse für Schwangere und für Frauen in der Menopause biete ich abends an. Die restliche Zeit bin ich weiterhin in der Praxis tätig – also tatsächlich an fünf Tagen die Woche, aber eben in einem flexiblen Zeitmodell, das zu meinen Kursen passt.
Zusätzlich bin ich regelmäßig für Fortbildungen in Richtung Osteopathie unterwegs. Etwa alle ein bis zwei Monate bin ich dann für drei bis vier Tage auf einer Weiterbildung, mal öfter, mal seltener – je nachdem, wie die Kurse liegen. Dann muss ich in der Praxis auch mal umplanen oder manchmal auch einen Kurs verschieben.
Das klingt nach einem vollen Tag – wie bringst du da noch Freizeit unter?
Ja, mein Alltag ist sehr voll, aber ich finde ihn genau so richtig. Ich beschäftige mich viel mit dem Thema Work-Life-Balance, aber für mich persönlich gibt es diese Trennung eigentlich nicht. Ich sehe meinen Beruf und meine Fortbildungen als Teil meines Lebens, meiner Lebensphilosophie.
"Ich sehe meinen Beruf und meine Fortbildungen als Teil meines Lebens, meiner Lebensphilosophie."
Wenn ich die Fortbildungen nicht als Freizeit oder Leidenschaft sehen würde, dann hätte ich tatsächlich keine Freizeit mehr.
Für mich gehört das alles zusammen. Vielleicht kann man sagen: Das, wofür ich angestellt bin, ist klassisch „Work“. Aber meine Kurse und das Lernen gehören zu meinem Leben – und ja, ich verdiene auch Geld dabei. Für andere passt die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit – für mich ist es ein fließendes Ganzes. Und das funktioniert für mich richtig gut.
Machst du dann noch etwas zum Ausgleich?
Ich mache sehr viel Sport. Seit letztem Jahr fahre ich ein Gravelbike, ich schwimme viel – drinnen und draußen – und verbringe viel Zeit mit Freunden und Freundinnen. Ich bin gut organisiert, aber wirklich schlecht darin, einfach nur ruhig zu sitzen. Mein Fernseher läuft selten bis gar nicht. Ich habe auch nicht diese klassische „Abends auf dem Sofa Routine“ – das ist einfach nicht meins.
Meine Familie und Freunde sagen mir manchmal: „Jetzt ruh dich doch mal aus.“ Natürlich mache ich auch mal Urlaub – dann funktioniert das auch mit dem Runterkommen. Aber für mich ist es entspannend, aktiv zu sein. Viele Menschen finden Erholung in ihren Hobbys – bei mir ist eben Bewegung mein Hobby und meine Erholung.
Du machst aktuell noch eine zusätzliche Ausbildung. Möchtest du darüber etwas erzählen?
Ich mache momentan die Ausbildung zur Osteopathin, dafür brauche ich auch die Heilpraktikerzulassung. Die mache ich also parallel – ich besuche ab November die Heilpraktikerschule. In dieser Zeit pausiere ich meine osteopathischen Fortbildungen etwas, weil ich meine Grenzen kenne.
Zusätzlich wurde ich vom Leiter des Instituts gefragt, ob ich zur Osteopathie-Ausbildung auch gleich die Dozentenausbildung machen möchte. Das heißt, ich bin häufig als Assistentin bei den Fortbildungen dabei und werde gleichzeitig zur Dozentin ausgebildet. Erst steht die Prüfung zur Osteopathin an und danach folgt voraussichtlich die Prüfung zur Dozentin. Ziel ist es, dass ich später auch unterrichten darf.
Hast du eine Vision, wie es bei dir in den nächsten Jahren weitergeht? Hast du irgendein ganz großes übergeordnetes Ziel?
Nie aufhören zu lernen – wirklich nie. Es geht immer weiter, es gibt immer etwas Neues. Vielleicht nicht mehr in dem Pensum wie jetzt, wo ich keine Kinder habe und viel freie Zeit zur Verfügung steht. Sollte sich das irgendwann ändern, muss ich natürlich schauen, wie ich das organisiere.
Viele fragen mich: „Was machst du denn, wenn du mit dem Heilpraktiker und der Osteopathie fertig bist?“ Ganz ehrlich – ich weiß es nicht genau. Ich lasse mir bewusst alle Möglichkeiten offen. Was ich aber sicher weiß: Ich möchte so arbeiten, wie ich es gerade lerne. Ich will als Osteopathin arbeiten. Ich möchte meine Kurskonzepte integrieren, denn in der Osteopathie hat man nicht automatisch die Möglichkeit, Sport und Bewegung mit einzubringen. Für mich gehört das aber unbedingt dazu – eine ganzheitliche Therapie, die den Körper vollständig mit einbezieht.
Was mich außerdem sehr interessiert, ist die Psyche. Vielleicht mache ich noch eine Ausbildung in dem Bereich. Denn das Zwischenmenschliche ist einfach ein riesiger Punkt. Wenn jemand z. B. Ängste hat, dann geht man anders an eine Übung heran, dann muss ich als Therapeutin spüren, ob ich den Menschen eher zurücknehme oder aktiv herausfordere. Und genau da möchte ich noch professioneller werden.
Hast du Tipps für Frauen, die sich in ihrem Körper vielleicht gerade nicht so wohl fühlen oder Schmerzen haben?
Ganz wichtig: Man kann immer etwas machen!
"Ganz wichtig: Man kann immer etwas machen!"
Es ist entscheidend, die richtigen Leute zu finden – Menschen, die die momentane Lebenssituation verstehen. Wenn man zum Beispiel ein Baby zu Hause hat, das nachts nicht schläft, dann ist man erschöpft und angespannt und das ist völlig natürlich. Daraus muss man sich dann Schritt für Schritt herausarbeiten.
Auch Gewichtszunahme oder ein schwaches Bindegewebe sind große Themen für viele Frauen. Aber auch da kann man etwas tun. Das Allerwichtigste ist: Gesundheit bedeutet auch, genug Energie für sich selbst und die Familie zu haben. Man darf selbst an erster Stelle stehen. Schmerzen dürfen nicht einfach abgetan werden.
Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, ist, dass manche Ärzte immer noch sagen: „Ja, wenn da mal ein paar Tröpfchen in die Hose gehen, ist das halt normal nach zwei oder drei Kindern." Nein! Das ist kein Preis, den man für Kinder zahlen muss. Mir ist ganz wichtig zu betonen: Man kann immer etwas tun. Man soll sich in seinem Körper wohlfühlen.
Vielen Dank für den interessanten Einblick.
Gerne.