
MAA spricht mit Jannik Basel
Von der "sportlichen Niete" zum Europameister im Kung Fu - Jannik Basel
Jannik Basel war in der Schulzeit der Junge, den beim Sport niemand haben wollte – der „Unsportliche“, der „Letzte, der gewählt wird“. Heute ist er Deutscher Meister und Europameister im Wing-Tsun-Kung-Fu. Eine Geschichte darüber, wie falsch äußere Urteile sein können – und wie viel in einem Menschen steckt, wenn er endlich seine richtige Bühne findet. Janniks Weg zeigt: Manchmal braucht es nur den passenden Ort, damit aus Schwäche Stärke wird.
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Bild: Canva, Bild dient nur der Veranschaulichung
Janik, heute bist du Deutscher Meister und Europameister – also eine Koryphäe im Wing-Tsun-Kung-Fu. Früher jedoch wurdest du von Mitschülern als sportliche Niete abgestempelt. Was genau war damals los?
In der Schule war Sport gleichbedeutend mit Fußball. Egal ob Sommer, Winter, Regen oder Turnhalle – Fußball, Fußball, Fußball. Und ich? Ich war darin schlicht katastrophal. Mir ist der Ball oft zwischen die Füße gesprungen, ich stand falsch, ich war unsicher und irgendwann verkrampft man automatisch, wenn man weiß:
„Alle gucken, alle warten darauf, dass du wieder irgendwas verhaust.“
Ich erinnere mich daran, wie ich im Sportunterricht schon vor Beginn dieses dumpfe Gefühl im Bauch hatte. Ich wusste, ich werde wieder als Letzter gewählt. Und jedes Mal, wenn das passiert, frisst sich das ein Stück tiefer rein. Nicht, weil man körperlich schwach wäre, sondern weil man das Gefühl bekommt: Mit dir stimmt etwas nicht.
Es war irgendwann so weit, dass ich selbst geglaubt habe, dass ich „unsportlich“ bin – obwohl ich im Alltag eigentlich normal aktiv war. Ich bin Fahrrad gefahren, habe draußen gespielt, war nicht faul oder träge. Aber dieses Etikett „Niete“ wurde zu einer Art Identität, die mir von außen übergestülpt wurde. Und das Tragische ist: Wenn du so ein Label lange genug hörst, dann beginnst du, dich selbst durch diese Brille zu sehen.
Wann hast du zum ersten Mal gespürt, dass da sportlich vielleicht doch mehr in dir steckt?
Der Wendepunkt kam, als ich in die Welt des Wing-Tsun hineinrutschte. Das war kein Schulsport, keine Gruppe, die mich kannte, keine Schublade, in die ich gesteckt wurde. Es war einfach ein Training in einem Raum voller Menschen, die nicht bewerteten, wie schnell du rennst oder wie gut du einen Ball triffst, sondern die sehen wollten, wie aufmerksam du bist, wie du dich bewegst, wie gut du deinen Körper kontrollierst.
Ich weiß noch, wie ich nach dem ersten Training draußen stand und dachte: Das war komplett anders. Das war… ich. Da ging es nicht um Tore oder Sprintzeiten. Da ging es um Technik, Fokus, Timing, Körpergefühl. Sachen, die niemand in der Schule je bei mir wahrgenommen hat. Plötzlich war da eine Sportart, die nicht gegen mich gearbeitet hat, sondern meine Fähigkeiten hervorgeholt hat.
Und das erste Mal hatte ich dieses Gefühl: Vielleicht bin ich nicht unsportlich. Vielleicht hatte ich bisher nur das falsche Spielfeld.
Was hat dich an Wing-Tsun so gepackt, dass es zur Obsession wurde?
Es war ein Gefühl, das ich vorher nie kannte: Ich konnte mich verbessern – ohne Druck, ohne Vergleich, ohne Abwertung. Jeder Fortschritt war mein eigener. Kein Lehrer, der sagt „Du bist nicht gut genug“. Kein Mitschüler, der lacht. Nur ich, mein Körper, meine Technik.
"Nur ich, mein Körper, meine Technik"
Ich habe mich in dieser Welt zuhause gefühlt. Die Art und Weise, wie Wing-Tsun funktioniert, hat mich komplett eingesogen: klare Bewegungen, logische Abläufe, Effektivität, Präzision. Es war nicht chaotisch wie Fußball für mich. Es hatte eine Systematik.
Und irgendwann wurde es mehr als nur ein Training. Ich war besessen davon, besser zu werden. Nicht, um jemandem etwas zu beweisen, sondern weil es sich endlich richtig anfühlte. Ich habe Videos studiert, Bewegungen vor dem Spiegel geübt, jeden freien Moment genutzt, um an meiner Technik zu feilen.
Ich habe nicht nur trainiert – ich habe mich verändert. Und das Verrückte ist: Wenn du plötzlich etwas findest, das in dir etwas zum Brennen bringt, dann verschieben sich die Grenzen. Du gehst weiter, als du jemals geglaubt hast.
Mit 22 wurdest du deutscher Meister, mit 23 Europameister. Was war das für ein Gefühl? Auch wenn du an die Stimmen deiner Mitschüler denkst, die dich früher als „sportliche Niete“ bezeichnet haben?
Es war… surreal. Wirklich surreal.Ich stand auf der Matte, hörte meinen Namen als Sieger und dachte plötzlich an dieses Kind in der Realschule – das Kind, das lieber geschwänzt hätte, nur um nicht schon wieder der Depp beim Fußball zu sein.
Und jetzt stand ich da, mit einer Goldmedaille um den Hals, Menschen klatschten, gratulierten, sprachen von Talent, von Disziplin. Und ich musste innerlich lachen, weil es so widersprüchlich war zu dem Bild, das mir damals eingeredet wurde.
Es war ein unglaublicher Moment, aber nicht aus dem Grund, den die meisten denken. Es ging mir nicht darum, jemandem „es gezeigt“ zu haben. Es ging um etwas Tieferes: um Befreiung. Es war der Beweis, dass etwas in mir geschlummert hatte, das nie die Chance bekommen hatte, sichtbar zu werden. Nicht weil es nicht da war – sondern weil ich am falschen Ort gesucht habe.
"Frieden mit meinem alten Ich"
Der Junge, der nie in ein Team passte, stand plötzlich ganz oben in einer Disziplin, die ihm entsprach. Und das fühlte sich an wie ein geschlossenes Kapitel. Ein Frieden mit einem alten Ich.
Was möchtest du Menschen sagen, die selbst das Gefühl haben, übersehen oder unterschätzt zu werden?
Ich möchte ihnen sagen:Es liegt nicht an dir.Oft liegt es nur daran, dass du am falschen Ort bist.
Viele Menschen glauben, sie seien „nicht gut genug“, weil sie in Umfeldern stecken, die ihre Stärken nicht sehen oder nicht brauchen. Schule kann brutal sein, weil sie nur wenige Talente sichtbar macht – die lauten, die offensichtlichen.
Aber jeder Mensch hat einen Bereich, in dem er aufblüht. Jeder hat Talente, die schlummern. Und manchmal brauchen diese Talente einfach die richtigen Bedingungen, die richtige Umgebung, die richtigen Menschen.
Ich wünsche jedem, dass er diesen Ort findet.Und wenn du ihn findest – dann wirst du merken, dass du nie „schlecht“ warst.Du warst nur falsch eingeschätzt.
Das Wichtigste ist: Aufhören, sich über die Stimmen von damals zu definieren.Fang an, dich über das zu definieren, was in dir brennt. Und wenn das einmal entfacht ist – dann bist du nicht mehr aufzuhalten.











