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Politik & Gesellschaft

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MAA spricht mit Leonie Kurz

Mit Händen heilen: Sanfte Impulse zur Aktivierung der Selbstheilung

Osteopathie ist weit mehr als eine alternative Behandlungsmethode. Der menschliche Körper ist ein komplexes Zusammenspiel aus Organen, Emotionen und Erfahrungen. Im Interview spricht Leonie Kurz über ihren beruflichen Weg, die Osteopathie und warum Zuhören genauso wichtig ist wie die Behandlung selbst.

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Bild: Leonie Kurz, privat

Hallo Leonie, wir sprechen heute über dich, deinen Beruf und die Osteopathie. Möchtest du dich erst einmal kurz vorstellen?

Ja, gerne. Ich bin Leonie Kurz, 28 Jahre alt und komme aus Saverwang. Nach dem Abitur habe ich zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester und das Studium für angewandte Gesundheits- und Pflegewissenschaften B.Sc. an der DHBW Stuttgart abgeschlossen. Danach habe ich mich entschieden, Osteopathie zu studieren – und zwar in Hamburg. Dort war ich vier Jahre lang. Seit August letzten Jahres bin ich wieder zurück in Saverwang. Zusätzlich habe ich den Heilpraktikerabschluss gemacht und arbeite seit September als Osteopathin hier vor Ort.

 



Wie würdest du jemandem, der keine Ahnung hat, kurz erklären, was Osteopathie ist?

Das ist gar nicht so leicht, weil Osteopathie aus vielen verschiedenen Richtungen entstanden ist. Aber für mich geht es im Kern um ein ganzheitliches Erkennen und Behandeln von Beschwerden, ausschließlich mit den Händen. Wir arbeiten ohne Hilfsmittel, Infusionen oder Geräte – nur mit den Händen, das ist der ursprüngliche Gedanke. Dabei geht es uns nicht nur darum, Symptome zu behandeln, sondern vor allem darum, die tatsächliche Ursache einer Beschwerde zu finden und zu lösen. Ein zentraler Aspekt ist der Gesundheitsgedanke: Wir wollen dem Körper helfen, seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Es geht also nicht darum, dass wir das Problem mit unseren Händen „wegmachen“, sondern eher darum, Hindernisse zu lösen, damit der Körper sich selbst helfen kann. Wir behandeln den Menschen in seiner Gesamtheit – also Körper, Geist und Seele – und beziehen auch die Alltagsumstände mit ein: Wo steht der Patient gerade im Leben? Hat er Familie, Stress auf der Arbeit, Kinder? All das kann Einfluss auf die Gesundheit haben.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anamnese: Wir fragen auch, ob sich der Patient selbst erklären kann, woher das Problem kommt. Und wir interessieren uns für die gesamte Lebensgeschichte – von der Geburt an. Jeder Sturz oder Unfall, der vielleicht unwichtig erscheint, kann Auswirkungen haben. Manchmal erkennt man auch Muster. Ganzheitlich bedeutet für mich also, nicht nur die letzten Wochen zu betrachten, sondern die gesamte Geschichte eines Menschen mit einzubeziehen.

Begründet wurde die Osteopathie von Andrew Taylor Still, einem amerikanischen Arzt, schon vor über 150 Jahren. Seitdem hat sie sich stetig weiterentwickelt. Sein Grundgedanke war, dass der Körper die Fähigkeit zur Selbstheilung und Selbstregulation besitzt – wir Therapeuten sollen ihm dabei lediglich helfen und blockierte Bereiche befreien. Letztlich geht es darum, Blockaden und Spannungen im Gewebe zu lösen. Wenn alles wieder frei fließt, funktioniert der Körper.




"Letztlich geht es darum, Blockaden und Spannungen im Gewebe zu lösen. Wenn alles wieder frei fließt, funktioniert der Körper."




Unsere Aufgabe ist es, die Stellen zu finden, an denen es „hängt“.

 


Du hast gesagt, du beziehst auch das gesamte Umfeld der Person mit ein. Das heißt, du führst auch Gespräche und setzt dich intensiv mit der Person auseinander, richtig?

Genau. Also primär arbeiten wir zwar mit den Händen, aber im Laufe des Studiums merkt man sehr schnell, dass viel mehr dazugehört. Auch das Gespräch ist ein wichtiger Bestandteil – die Patienten erzählen einem etwas, viele wollen sich mitteilen. Das ist mir schnell aufgefallen und das ist durchaus sinnvoll. Man lernt die Menschen durch die Gespräche schnell sehr gut kennen – das gehört für mich einfach dazu.

In der Osteopathie unterscheidet man in der Regel drei große Teilbereiche. Und das ist auch mit ein Grund, warum die Osteopathie so unterschiedlich praktiziert wird – je nachdem, wo man sie gelernt hat.

Es gibt die „parietale Osteopathie“, die sich vor allem um den Bewegungsapparat kümmert: also Muskeln, Gelenke, Knochen und Faszien.

Dann gibt es die „viszerale Osteopathie“. Die befasst sich mit den inneren Organen – also Magen, Darm, Leber, Herz, Lunge, Beckenorgane usw.

Und dann gibt es noch die „kraniosakrale Osteopathie“, die sich mit dem Schädel beschäftigt. Der Schädel besteht aus verschiedenen Knochenplatten, die erst im Laufe des Lebens zusammenwachsen. Dazu kommt das Gehirn, das Rückenmark, die Hirnhäute und die Verbindung zum Kreuzbein (Sakrum). Das alles bildet eine funktionelle Einheit, mit der man in der kraniosakralen Therapie arbeitet.

Das Schöne an der Uni in Hamburg, an der ich studiert habe, ist, dass dort alle drei Bereiche gleichermaßen gelehrt werden. Es gibt aber auch Schulen, die sich sehr stark auf nur einen Bereich spezialisieren. Deshalb sage ich auch immer: Osteopathie ist nicht gleich Osteopathie. Jeder arbeitet anders – selbst wenn man an derselben Schule war. Jeder setzt individuelle Schwerpunkte, je nachdem, was einem liegt oder was man besonders spannend findet.

Gerade die kraniosakrale Therapie hat für mich noch mal eine andere Tiefe – man findet auf einer ganz anderen Ebene Zugang zu den Menschen.

 


Warum hast du dich für ein Studium in Hamburg entschieden? Gibt es in Deutschland wenig Institutionen, an denen man Osteopathie studieren oder eine Ausbildung machen kann oder war Hamburg die einzige Option?

Ja, es gibt tatsächlich mehrere Möglichkeiten – aber nicht allzu viele. Man muss grundsätzlich unterscheiden: Eine Ausbildung zur Osteopathie darf man nur machen, wenn man bereits Arzt, Heilpraktiker oder Physiotherapeut ist. Ich war das alles damals nicht, sondern kam direkt aus der Krankenpflege. Deshalb musste ich ein Vollzeitstudium absolvieren, das vier Jahre dauert.

Als ich mich damals informiert habe, gab es dafür in Deutschland nur sehr wenige Standorte. Die Hochschule Fresenius bot das Studium in München und in Idstein an und dann gab es noch die Osteopathie Schule Deutschland in Hamburg und Berlin. Aber wie gesagt – es gibt wirklich nicht viele Möglichkeiten, vor allem, wenn man wie ich ohne passende medizinische Vorqualifikation direkt einsteigen möchte.

Ausbildungsplätze für berufsbegleitende Programme gibt es etwas mehr, aber auch die sind eher rar gesät. Und: Es handelt sich bei allen um private Hochschulen. Das heißt, man muss das Studium selbst finanzieren.

 


Hast du dafür BAföG bekommen?

Nein – aber ich habe es ehrlich gesagt auch nicht beantragt. Ich vermute, dass die Mehrheit von uns das Studium durch finanzielle Unterstützung der Eltern, durch einen Kredit, einen privaten Studienkredit oder durch eigene Ersparnisse finanziert hat. Manche waren auch schon älter, hatten gearbeitet und sich das Geld vorher angespart. Ohne irgendeine Form von Unterstützung ist das Studium kaum zu stemmen – es ist einfach zu teuer.

 


Das kann ich mir vorstellen – das Studium dauert ja auch einige Jahre.

Ja, genau. Ich hatte damals auch überlegt, ob ich nicht zuerst den Heilpraktiker mache und dann die Ausbildung zur Osteopathin anschließe. Das hat natürlich auch Vorteile: Man kann früher in die Praxis einsteigen, sich schneller eine eigene Praxis aufbauen und das, was man lernt, direkt anwenden.

Aber auf der anderen Seite kann man sich in einem Vollzeitstudium komplett auf die Ausbildung konzentrieren. Das war mir wichtig. Ein weiteres Argument für die Osteopathie Schule in Hamburg war, dass sie eine Lehrpraxis hat. Ab dem dritten Studienjahr darf man dort Patienten behandeln. Diese wissen natürlich, dass sie von Studenten behandelt werden und es ist immer ein Dozent dabei, der alles kontrolliert.

Für mich war das ein riesiger Pluspunkt – ich wollte nicht vier Jahre lang nur Theorie machen. Natürlich haben wir auch im Studium untereinander geübt, aber unter Kommilitonen behandelt man eben meist gesunde junge Leute. In der Lehrpraxis bekommt man echte Krankheitsbilder zu sehen – das fand ich total wertvoll.

 


Das klingt wirklich sinnvoll. Für mich hört sich das nach einem runden Konzept an.

Die ersten zwei Jahre sind vor allem Theorie – also Anatomie, Physiologie, Pathologie. Man lernt viel mit Büchern – das ist erstmal trocken, aber notwendig, um später gezielt behandeln zu können. Parallel fängt man dann auch schon an, das Tasten und Fühlen zu lernen. Anfangs ist das total ungewohnt – wenn dir jemand sagt: „Fühl mal den Magen“. Du tastest dich anfangs nur an Knochenstrukturen heran, lernst Orientierungspunkte kennen und irgendwann kommt dieses Körpergefühl von selbst.

Das ist wirklich auch ein großes Lernfeld: Vertrauen in das eigene Fühlen. Du kannst eben nichts sehen – es ist wie ein blinder Bildhauer, der sich nur auf seine Hände verlässt.

 


Kann man Organe denn wirklich von außen ertasten? Oder geht es eher um das Wissen, wo sie ungefähr liegen?

Das ist eine gute Frage. Im Grunde geht es nicht nur ums anatomische Wissen, sondern wirklich ums Fühlen lernen. Du lernst, wie sich verschiedene Organe anfühlen. Zum Beispiel: Ein Darm fühlt sich fester an als der Magen. Wenn du etwas tastest, was sich für einen Magen zu hart oder zu weit oben anfühlt, dann stimmt was nicht. Also ja, man kann es schon sehr genau ertasten, wenn man ein gutes Körpergefühl entwickelt hat.

 


Du hast erwähnt, dass manche Studenten das Studium über Ersparnisse finanziert haben. Wie war denn generell die Altersstruktur bei euch?

Ich würde sagen: Es war bunt gemischt, aber der Großteil war eher zwischen 23 und Anfang 30. Nur wenige haben direkt nach dem Abitur angefangen. Die meisten hatten vorher schon eine Ausbildung gemacht oder ein paar Jahre gearbeitet. Es gab auch einige, die schon über 40 waren. Eine Mitstudentin war sogar über 50 – sie meinte aber selbst, das sei jetzt mehr „zum Spaß“, weil sie es einfach für sich selbst machen wollte.

Einige waren, wie ich, zuvor in der Krankenpflege tätig, andere haben sich komplett neu orientiert und hatten eben durch ihre vorherige Tätigkeit das Geld für das Studium angespart.

 


Man hört ja oft, dass man ewig auf einen Termin bei einem Osteopathen warten muss. Ist der Beruf noch so rar gesät? Oder gibt es mittlerweile Nachwuchs?

Das kommt stark auf den Standort an. Ich habe in Hamburg studiert – am Anfang waren wir 32 Leute, mit mir zusammen haben am Ende nur 8 komplett abgeschlossen – also inklusive Heilpraktikerprüfung. Viele sind unterwegs „ausgesiebt“ worden – aus den verschiedensten Gründen: Manche haben den Heilpraktiker in den vier Jahren nicht geschafft, andere mussten ihre Bachelorarbeit aufschieben, weil sie es organisatorisch nicht hinbekommen haben.

Das Studium selbst haben dann ungefähr 13 Leute abgeschlossen, aber nur 8 hatten am Ende auch die Heilpraktikerzulassung – und die braucht man eben, um am Patienten zu arbeiten.

 


Ich kann mir vorstellen, dass das Studium anspruchsvoll ist – Es ist immerhin ein medizinischer Studiengang.

Ja, auf jeden Fall. Bereits in den ersten zwei Jahren scheiden viele aus, wegen den hohen Anforderungen. Viele unterschätzen, wie anspruchsvoll das ist. Man lernt sehr tiefgehend Anatomie – also nicht nur „wo liegt was“, sondern: jeder Muskel, jeder Nerv, jedes Gefäß. Wie wird das Organ versorgt? Wie funktioniert das Zusammenspiel der Systeme?




"Man lernt sehr tiefgehend Anatomie – also nicht nur „wo liegt was“, sondern: jeder Muskel, jeder Nerv, jedes Gefäß. Wie wird das Organ versorgt? Wie funktioniert das Zusammenspiel der Systeme?"




Das ist bestimmt vergleichbar mit dem, was Medizinstudenten lernen. Klar, wir lernen keine Medikamente oder OP-Techniken, aber anatomisch und physiologisch ist es wirklich tiefgehend.

In Hamburg ist der Markt mittlerweile ziemlich gesättigt. Unsere Dozenten haben uns das auch gesagt: Wenn man dort direkt nach dem Studium eine Praxis eröffnen möchte, ist das gerade eher schwierig. Die Schule gibt es ja auch schon seit über zehn Jahren – das merkt man einfach. Aber auf dem Land bzw. in unserer Region ist das anders. Ich bin ja jetzt wieder in Saverwang und hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass so viele Leute kommen würden. Als ich angefangen habe zu studieren, kannte kaum jemand die Osteopathie. Inzwischen hat fast jeder zumindest mal davon gehört oder kennt jemanden, der zur Osteopathie geht.

 


Wann war dein erster Kontakt mit der Osteopathie?

Ursprünglich wollte ich nur den Heilpraktiker machen, aber damals gab es einige Unsicherheiten gegenüber diesem Beruf. Meine Mutter ist auch Heilpraktikerin. Sie meinte dann: „Schau dich doch mal um, was es noch so gibt in dem Bereich.“ Ich hab mir dann zum Beispiel den Heilpraktiker für Psychotherapie angeschaut und bin über ein Praktikum bei einem Osteopathen gelandet. Das war der Moment, der mich voll gepackt hat.

Der Osteopath war einfach unglaublich gut in Anatomie. Er konnte ganz genau sagen: „Ich habe hier den Nerv in der Hand, der verläuft entlang diesem Muskel…“ Mich hat wahnsinnig fasziniert wie gut er den menschlichen Körper kannte und wie sicher er mit seinen Händen gearbeitet hat. Da war für mich klar: Genau das möchte ich auch können!

Dann habe ich angefangen zu recherchieren und bin auf das Studium der Osteopathie mit Heilpraktikerabschluss gestoßen. Das fand ich super, weil ich dann beides habe: den Heilpraktiker und die Osteopathie – also eine doppelte Qualifikation, die mir auch eine gute Absicherung bietet, falls sich im Heilpraktikerwesen doch noch mal was ändert.

 


War es von Anfang an dein Plan, später in der Praxis deiner Mutter zu arbeiten – oder hat sich das erst später ergeben?

Nein, das war überhaupt nicht geplant. Meine Eltern haben mir immer freigestellt, was ich mache und wo ich es mache – und ganz ehrlich: Viele hätten auch nicht gedacht, dass ich nach dem Studium in Hamburg überhaupt zurückkomme.

Ab Mitte des Studiums kam dann die Überlegung: Wie starte ich überhaupt? Wo arbeite ich? Mache ich mich selbstständig? Suche ich mir was zur Mitarbeit? Für mich war schnell klar: Ich will nicht nur Osteopathie machen, mich interessiert der Heilpraktiker-Bereich genauso sehr. Und dann hatte mein Papa die Idee: „Warum schaust du nicht mal bei deiner Mama rein – vielleicht wäre das was?“ Das war gar nicht als fester Plan gedacht, sondern mehr aus einer spontanen Situation heraus. Ihre damalige Angestellte ist ausgefallen, ich hatte bald meinen Abschluss – und so hat sich das einfach ergeben.

Heute teilen wir uns die Praxis: Zwei Tage arbeite ich mit ihr gemeinsam, zwei Tage nutze ich die Praxis für meine Osteopathie, und ein Tag gehört ihr ganz allein.

 


Das hört sich an, als würde die Zusammenarbeit mit deiner Mama gut klappen.

Für uns funktioniert es richtig gut – aber das liegt sicher auch daran, dass ich immer schon ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern hatte. Natürlich gibt es Themen, bei denen man sich abstimmen muss, aber ich finde, wenn man klare Rollen und Grenzen definiert, klappt das auch beruflich.

Ich sehe es ganz klar so: An den Tagen, an denen ich mitarbeite, ist sie die Chefin – es ist ihre Praxis, sie hat über 25 Jahre Erfahrung, da bin ich eine Angestellte. An meinen eigenen Tagen arbeite ich so, wie ich es für richtig halte. Für mich ist das ein riesiger Vorteil. Ich kann das Erfahrungswissen meiner Mutter mit meinem aktuellen Wissen aus der Osteopathie kombinieren.

 


Das klingt nach einem ganzheitlichen Ansatz.

Ja, absolut. Manchmal reicht die Osteopathie allein nicht. Manchmal brauchen wir ein großes Blutbild oder der Körper braucht einfach Unterstützung durch Infusionen oder Aufbaupräparate. Bei Themen wie Erschöpfung, Ein- und Durchschlaf-Problemen, Unruhe kann Osteopathie helfen, aber es muss nicht immer die erste Wahl sein. Dann sage ich eben: „Ein paar Aufbau-Spritzen können helfen, um das Nervensystem zu unterstützen – 5 bis 10 Mal – und dann schauen wir, wie es dir geht.“ Ich finde, das ist meine Stärke: Ich kann beides kombinieren und dadurch viel gezielter und flexibler entscheiden, was jemand gerade wirklich braucht.

 


Worauf legst du in deiner Arbeit besonderen Wert?

Mein großer Fokus liegt natürlich auf der Osteopathie – das ist auch genau der Punkt, der mich von meiner Mama unterscheidet. Aber ich lege wirklich großen Wert auf die Kombination aus beidem: Osteopathie und das, was man aus dem Heilpraktiker-Bereich mitnehmen kann.

Ich frage deshalb auch immer ganzheitlich ab: Fühlst du dich insgesamt fit? Gibt es Schwächen, Erschöpfung, Schlafprobleme? Wie ist dein Energielevel? Und wenn ich den Eindruck habe, da steckt vielleicht etwas Stoffwechselbezogenes oder ein Nährstoffmangel dahinter, dann denke ich sofort auch in Richtung Labor oder Mikronährstoffe – also Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, was auch immer da helfen könnte. Ich sage auch immer zu meinen Patienten und Patientinnen: „Wenn ihr schon Laborwerte oder Arztbefunde habt – bringt sie mit.“ Oft kann man da viel rauslesen, ohne gleich nochmal alles neu machen zu müssen. Und wenn doch was fehlt, dann schauen wir halt gezielt nach – zum Beispiel mit einem Zusatzlabor oder gezielten Tests. Mir ist wichtig, dass man den Körper nicht isoliert betrachtet, sondern das ganze System einbezieht und praktisch und sinnvoll unterstützt – wenn es sinnvoll ist, eben auch über die Osteopathie hinaus.




"Mir ist wichtig, dass man den Körper nicht isoliert betrachtet, sondern das ganze System einbezieht und praktisch und sinnvoll unterstützt – wenn es sinnvoll ist, eben auch über die Osteopathie hinaus."

 



Du hast vorhin gesagt, dass deine Eltern dachten, du bleibst vielleicht in Hamburg – war das für dich mal ein Thema?

Klar – am Anfang vom Studium war ich schon geflasht von Hamburg. Es ist einfach eine schöne Stadt, keine Frage. Aber ich habe relativ schnell gemerkt: Ich bin ein Dorfkind. Großstadtleben ist nicht meins – jedenfalls nicht auf Dauer. Ich finde Hamburg super zum Besuchen oder mal für ein paar Tage, aber ich brauche einfach mehr Ruhe, mehr Natur, mehr Platz. Deshalb war für mich ziemlich schnell klar, dass ich wieder zurück will.

 


Wie stehst du zur Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen, wie zum Beispiel Physiotherapeuten oder Ärzten?

Find ich gut – auf jeden Fall! Es gibt ja durchaus Krankheitsbilder oder Menschen, die chronisch krank sind. Wenn jemand jede Woche seine Übungen machen soll, ist Physiotherapie perfekt – warum nicht? Dann ist es aus meiner Sicht sinnvoller, wenn diese Person in größeren Abständen zur Osteopathie kommt, um zu schauen, ob man den Körper wieder in irgendeiner Form regulieren kann. Aber diese regelmäßigen Basisübungen lassen sich super durch Physiotherapie abdecken. Gerade auch nach Operationen – da sind Physiotherapeuten sehr gut ausgebildet, um mit Patienten gezielt zu arbeiten. Und Ärzte sowieso. Ich finde, da hat sich in den letzten Jahren auch einiges getan. Viele meiner Patienten bekommen vom Arzt ein Rezept, zumindest mal für drei oder vier Sitzungen, um eine osteopathische Behandlung zu beginnen. Ich finde, das zeigt schon, dass sich etwas bewegt – auch wenn natürlich immer noch Luft nach oben ist.

Aber ich finde diese interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtig, weil es mir letztendlich um den Menschen geht – also den Patienten, aber „Mensch“ gefällt mir als Begriff persönlich einfach besser. Mir geht es darum, was für die jeweilige Person die beste Lösung ist.

Ich lege auch großen Wert auf Abklärung. Ich frage meine Patienten immer: „Waren Sie vorher beim Arzt? Gibt es Bilder, Befunde?“ Wenn es noch nichts in der Richtung gibt und ich nach ein oder zwei Behandlungen nicht weiterkomme, ist mein Ansatz immer: „Gehen Sie bitte nochmal zum Arzt.“ Am besten gleich gezielt – je nach Symptomatik zum Beispiel zum Orthopäden oder einem anderen Facharzt, um das Ganze nochmal gründlich abzuklären. Ich halte es für extrem wichtig, abzuklären, ob es sich beispielsweise um eine strukturelle Verletzung handelt oder ein anderer Befund vorliegt.

Wenn mir bei der Untersuchung zum Beispiel auffällt, dass ein Band sehr locker ist oder irgendetwas nicht stimmig wirkt, dann sage ich ganz klar: „Bitte lassen Sie das nochmal ärztlich abklären.“ Für mich gibt es dabei kein Konkurrenzdenken, es geht immer um die beste Lösung für den Menschen.

Auch die Psyche hat oft einen großen Einfluss auf körperliche Beschwerden. Ich hatte schon einige Patienten, denen ich nahegelegt habe, zusätzlich mit jemandem aus dem psychotherapeutischen Bereich zu sprechen. Warum auch nicht? Es gibt einfach Themen, bei denen wir Osteopathen nicht ausreichend qualifiziert sind – da sollte man ehrlich zu sich selbst sein. Ich finde, man muss seine Grenzen kennen.

 


Wenn ein Arzt ein Rezept für die Osteopathie-Behandlung ausstellt, wird die Behandlung dann komplett von der Krankenkasse übernommen?

Das kommt ganz darauf an – zum Beispiel, ob man privat oder gesetzlich versichert ist. Das macht leider einen großen Unterschied. Aber auch die jeweilige Krankenkasse spielt eine große Rolle. Ich sage auch jedem: „Bitte klär im Vorfeld mit deiner Krankenkasse ab, was übernommen wird.“ Oft beteiligen sich Krankenkassen an drei bis vier Sitzungen mit ungefähr 40 Euro pro Sitzung. Das entspricht etwa der Hälfte der Behandlungskosten der meisten Osteopathen. Patienten, die privat versichert sind oder eine private Zusatzversicherung haben, bekommen oft sogar den komplette Betrag erstattet.

Was das Rezept angeht: Wichtig ist, dass „Osteopathie“ auf dem Rezept vermerkt ist – das ist auf jeden Fall Voraussetzung. Ich bin auch bei vielen Krankenkassen als Osteopathin gelistet, ich habe mich dort offiziell registriert. Dafür muss man natürlich nachweisen, dass man eine anerkannte Ausbildung oder ein Studium absolviert hat.

 


Hast du durch deine Arbeit etwas Neues über Menschen oder auch über dich selbst gelernt?

Fachlich habe ich natürlich einiges Neues gelernt: Anatomie, Funktionsweisen – ein vertieftes Verständnis, wie der Körper funktioniert. Da ist mir erst so richtig bewusst geworden, was für ein Wunderwerk der menschliche Körper eigentlich ist. Was er alles kann, wie selbstverständlich vieles funktioniert, wie präzise alles aufeinander abgestimmt ist – das fasziniert mich bis heute immer mehr.

Was den Menschen an sich betrifft: Ich habe gelernt, wie unterschiedlich Menschen denken – wirklich komplett unterschiedlich. Und das betrifft nicht nur Meinungen, sondern auch Denkweisen, wie Informationen aufgenommen und interpretiert werden. Jeder denkt und fühlt einfach ganz individuell. Auch wie unterschiedlich wir Sinn und Bedeutung wahrnehmen finde ich unglaublich spannend. Und genau deshalb macht mir die Arbeit mit Menschen auch so viel Freude. Jeder ist anders, jeder bringt etwas Neues mit – es gibt immer etwas zu entdecken. Ich lerne wirklich tagtäglich etwas dazu: über den Menschen selbst oder einfach durch das, was mir die Patienten und Patientinnen erzählen. Da ist jemand, der Honig herstellt, jemand anderes geht leidenschaftlich angeln, wieder jemand beschäftigt sich mit etwas, von dem ich vorher noch nie gehört habe – das finde ich einfach toll. Der Kontakt mit Menschen – das ist für mich das Schönste an meinem Beruf.

 


Da haben wir etwas gemeinsam: Ich lerne durch die Interviews auch ständig Neues über Menschen. Jeder hat seine Themen, seine Interessen, seine Geschichte – das ist wirklich faszinierend.

Ja, genau! Jeder hat seine Interessen, und das finde ich total schön.

 


Wie gehst du mit deiner eigenen körperlichen und mentalen Gesundheit um? Hat sich durch deinen Beruf etwas verändert?

Ja, auf jeden Fall. Was ich im Laufe meiner Arbeit gelernt habe, ist das Prinzip „leben und leben lassen“. Ich habe mich von dieser strengen Haltung gelöst, dass man alles perfekt machen muss – da gab es in meinem Studium nämlich durchaus auch viele, die sehr dogmatisch waren: „Du musst so leben und das machen.“ Im Grunde weiß jeder Mensch, was gut für ihn ist. Man kann natürlich Tipps geben – aber die große Frage ist doch: Warum setzen viele das, was sie eigentlich wissen, nicht um? Oder können es nicht umsetzen? Oder wollen es vielleicht auch nicht? Ich versuche lockerer damit umzugehen. Ich sage immer noch, was ich denke oder empfehle, aber ich bewerte es nicht, wenn jemand einen anderen Weg geht.

Was mich total fasziniert ist, was der menschliche Körper alles aushält – auch bei Krankheit. Und trotzdem funktioniert der Körper in vielen Bereichen weiter. Das ist manchmal wirklich wie ein Wunder.

Ich selbst bin körperlich sicher auch nicht die Fitteste, trotzdem denke ich mir: Wahnsinn, was mein Körper da eigentlich jeden Tag leistet. Das ist eine Erkenntnis, die ich für mich mitgenommen habe – dass ich daran arbeiten möchte, meinen Körper noch lange fit und gesund zu halten. Da will ich künftig noch mehr machen.

Mental war nie mein Schwachpunkt, eher der Körper. Aber ich merke, dass es bei vielen Menschen umgekehrt ist. Ich denke, das war auch schon vor Corona so – aber durch Corona hat sich das Ganze nochmal verstärkt. Viele sind dadurch deutlich angreifbarer geworden, psychisch belastet. Es ist wichtig, das zu berücksichtigen. Wenn jemand schon mit sich selbst kämpft, dann kann ich ihm nicht noch zehn neue Aufgaben mit auf den Weg geben. Dann hilft es viel mehr, zuzuhören und herauszufinden, was die eigentlichen Probleme im Alltag sind – und vielleicht einen kleinen, praktischen Tipp zu geben, wie sich der Alltag erleichtern lässt.

 


Nimmst du aktuell noch neue Patienten auf?

Ja, ich habe noch Kapazitäten.

 


Was ist dein größter Wunsch für die Zukunft?

Mein größter Wunsch für die Zukunft – vor allem im Sinne meiner Patienten und Patientinnen – wäre, dass sich die Krankenkassen noch mehr öffnen, dass die Osteopathie stärker anerkannt wird, auch das ganze Thema Heilpraktiker. Ich sehe tagtäglich in meiner Arbeit, dass es den Menschen hilft. Und ich kann nicht verstehen, wie man ernsthaft Argumente dagegen finden will. Ich wünsche mir einfach mehr Offenheit und Unterstützung für diese Leistungen. Viele Menschen würden die Osteopathie gern ausprobieren oder regelmäßig nutzen – aber können oder wollen es sich finanziell nicht leisten. Das finde ich sehr schade. Hier könnte man definitiv noch mehr tun.

Grundsätzlich hat sich aber schon viel getan. Die Osteopathie ist zwar noch ein zartes Pflänzchen, aber sie wächst. Es ist noch nicht alles perfekt – zum Beispiel fände ich es wichtig, dass die Ausbildung auch staatlich anerkannt wird. Bildung sollte in Deutschland eigentlich kostenlos zugänglich sein, aber bei vielen Studiengängen ist das leider nicht der Fall. Das empfinde ich nicht als echte Bildungsfreiheit.

 


Gab es einen Moment bei deiner Arbeit, der dich besonders berührt oder beeindruckt hat?

Ja, einige sogar. Einer, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, war in der Lehrpraxis an der Uni. Wir waren zu dritt: zwei Kommilitonen und ein Dozent und wir haben gemeinsam mit einer Patientin gearbeitet. Ich saß am Becken, eine Kommilitonin am Kopf, der Dozent war am Bauchbereich. Die Patientin hatte Beschwerden im kleinen Beckenbereich.

Plötzlich wurde es richtig warm unter meiner Hand – also wirklich spürbar warm. Und auch am Kopfbereich hatte meine Kommilitonin das gleiche Gefühl. Wir haben uns nur angeschaut, weil wir es kaum glauben konnten. Der Dozent hat das ebenfalls wahrgenommen. Das Krasse war aber, dass die Patientin selbst davon gar nichts mitbekommen hat, für sie war es einfach ein neutraler Moment.

Solche Erlebnisse faszinieren mich immer wieder. Auch in meiner heutigen Arbeit erlebe ich oft, dass ich zum Beispiel am Kopf arbeite und plötzlich ganz müde werde. Und die Patientin sagt dann hinterher: „Ich war heute total erschöpft.“ Und ich habe das einfach gespürt.

Das ist etwas, womit ich mich intensiv beschäftige – diese emotionale oder energetische Ebene, die mit in den Behandlungsraum kommt. Man muss wirklich lernen, sich da gut abzugrenzen. Was ist meins, was gehört zum Patienten? Denn man übernimmt ganz leicht Gefühle, Stimmungen oder auch Erschöpfung – das passiert ganz schnell. Ich finde, das ist mit das Schwierigste an der osteopathischen Arbeit: empathisch zu bleiben, sich auf den Menschen einzulassen, aber gleichzeitig bei sich selbst zu bleiben.




"Ich finde, das ist mit das Schwierigste an der osteopathischen Arbeit: empathisch zu bleiben, sich auf den Menschen einzulassen, aber gleichzeitig bei sich selbst zu bleiben."




Diese Balance ist herausfordernd.

 


Vielen lieben Dank für den interessanten Einblick.

Kein Problem. Danke auch.

 



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