
MAA spricht mit Pascal Berroth
Kein Thermomix, keine Tricks – nur echtes Handwerk!
Pascal spricht über Ehrlichkeit, Verantwortung und die Kunst, gutes Brot zu backen. Er erklärt, warum Industriebackwaren Bauchweh machen kann, wie altes Brot neues Aroma bringt und warum er seine Brezeln lieber selber schlingt.
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Bild: Pascal Berroth, privat
Pascal, wie bist du eigentlich zur Bäckerei gekommen?
Das war durch meine Eltern. Mein Vater führt das Unternehmen inzwischen in der zweiten Generation, nachdem er es von seinem Vater übernommen hat. Schon von klein auf wurde ich an die Arbeit in der Bäckerei und Konditorei herangeführt. Ich habe früh miterlebt, was es bedeutet, tagtäglich alle Produkte frisch herzustellen und sie dann in unseren verschiedenen Filialen zu verkaufen. Wie es in einem Familienbetrieb eben ist – man wächst damit auf und ist von Anfang an irgendwie dabei. Ich erinnere mich gut daran, wie meine Eltern viel Zeit in der Bäckerei verbracht haben. Ich hatte damals meine Spielsachen dort, durfte zuschauen, wie in der Backstube gebacken wurde, und habe dabei viel gelernt. Diese Erfahrungen haben mich sehr geprägt. Ich habe schnell entdeckt, wie viel handwerkliches Geschick und Liebe in den Produkten steckt.
Du sprachst von der Backstube – aber ich glaube, in eurem Fall ist das gar keine klassische Backstube mehr, oder?
Doch, das würde ich schon sagen. Auch wenn sie etwas größer ist, bezeichnen wir sie intern ganz bewusst weiterhin als Backstube. Meine Eltern haben vor rund 30 Jahren beschlossen, neu zu bauen und als Stadtbäcker einen neuen Standort zu schaffen. Früher – da muss man ein bisschen ausholen – hatte mein Opa seine Backstube in Schwäbisch Gmünd, mitten in der Stadt, am Pfeiffergässle beim Fünfknopfturm. Dort war die Backstube direkt mit einer Verkaufsstelle verbunden – so wie es früher eben typisch war. Als meine Eltern ins Geschäft einstiegen, wollten sie dann aber mehrere Filialen eröffnen. Die ursprüngliche Backstube wurde schnell zu klein, und so entschieden sie sich, im aufstrebenden Industriegebiet Gügling ein Grundstück zu kaufen und dort neu zu bauen. Trotz des neuen Standorts hat sich an unserer Herstellungsweise allerdings nichts Grundlegendes verändert. Das war und ist uns sehr wichtig. Auch wenn wir im Industriegebiet sind – wir backen noch immer handwerklich, wie früher.
Also wird auch im Industriegebiet nicht industriell, sondern weiterhin handwerklich gebacken?
Ganz genau. Handwerklich zu arbeiten ist unser Credo, trotz unserer Größe. Wir sind fest davon überzeugt, dass Handwerk nicht von der Betriebsgröße abhängt. Das bedeutet, dass wir die Anzahl der Produkte skalieren können, ohne das Handwerk aufzugeben.
D.h. ihr macht größere Mengen, aber die Handarbeit bleibt erhalten?
Ja, genau so ist es. Zum Beispiel unsere Baguettebrötchen, die wir einschlagen und vor dem Backen drehen, damit sie aufreißen – das passiert weiterhin alles in Handarbeit. Auch unsere Brezeln schlingen wir nach wie vor von Hand. Und das möchten wir auch künftig so beibehalten. Für uns steht die Qualität des Produkts an erster Stelle. Wir stimmen den Teig auf das gewünschte Produkt ab – und eben nicht auf die Maschine.
Wenn man Maschinen verwenden würde, müsste man den Teig anders machen?
Ein maschineller Brezelschlinger würde einen anderen Teig erfordern – einen, der kühler, fester und mit weniger Reifezeit verarbeitet werden muss. Das würde sich negativ auf Geschmack und Frischhaltung auswirken. Und das kommt für uns nicht infrage.
Du hast eingangs von der Backstube und der Verkaufsstelle gesprochen. Wo hältst du dich denn lieber auf?
Es ist überall toll (lacht). Im Verkauf bin ich aber weniger anzutreffen – dafür haben wir ein tolles Team, das die Filialen betreut und die Waren mit viel Engagement verkauft. Ich selbst bin meistens in der Backstube oder in den Büroräumen.
Wenn wir über eure Produkte sprechen – du hast eben schon die Brezel oder das Baguettebrötchen erwähnt – was unterscheidet ein gutes von einem weniger guten Bäckereiprodukt?
Das ist eine sehr spannende Frage, die man gar nicht pauschal beantworten kann. Denn jedes Produkt hat andere Anforderungen und Charakteristika – auch bei uns im Sortiment oder im Vergleich zu anderen Bäckereien. Nehmen wir zum Beispiel die Brezel: Sie ist ein faszinierendes Produkt, weil sie in sich zwei unterschiedliche Elemente vereint. Der dicke Bauch muss schön saftig und lange frisch sein, während die dünnen Ärmchen knackig sein sollen – aber eben nicht trocken. Beim Brot kommt es eher darauf an, dass es lange frisch bleibt – idealerweise auch noch am dritten oder vierten Tag. Ein Tafelbrötchen hingegen muss eine mürbe Krume haben, also weich und locker innen sein, mit einer splittrigen Kruste außen. Ein Rosenbrötchen soll hingegen eher eine kräftigere Kruste haben und insgesamt knackiger sein. Bei einem Laugenbrötchen, oder wie wir sagen, „Kickerbrötchen“, ist der Fettanteil höher – dadurch ist es insgesamt weicher. Kurz gesagt: Jedes Produkt bringt seine eigenen Anforderungen mit. Ob etwas „gut“ ist oder nicht, hängt also stark davon ab, was man erwartet und wie es beschaffen sein sollte. Eine knusprige Kruste ist bei einem großen Brötchen gewünscht, bei einem Laugenbrötchen aber eher ein Fehler.
Man muss also jedes Produkt für sich beurteilen.
Genau. Jedes Produkt hat eigene Anforderungen, und nur auf dieser Grundlage kann man beurteilen, ob es gut gelungen ist oder nicht.
Und ich habe gerade gelernt: Die Brezel ist besonders anspruchsvoll – weil sie im Grunde zwei Produkte in einem verbindet.
Richtig. Die dünnen Ärmchen und der dicke Bauch müssen unterschiedliche Eigenschaften haben, aber trotzdem perfekt miteinander harmonieren. Das ist eine echte Herausforderung – und macht die Brezel für uns auch zu einem ganz besonderen Produkt.
Für viele Menschen ist eine gesunde Ernährung wichtig. Gibt es da einen Unterschied zwischen handwerklich hergestellten und industriell gefertigten Backwaren?
Ja, auf jeden Fall. Wir als handwerklich arbeitende Bäckerei haben einen großen Einfluss auf die Qualität der Produkte. Wir können gezielt darauf hinwirken, dass unsere Backwaren besser verträglich sind. Da gibt es auch Studien dazu – zum Beispiel von der Universität Hohenheim, Stichwort FODMAPs. FODMAPs sind unverdauliche Zuckerstoffe, die sich in Backwaren wiederfinden können. Und diese FODMAPs entstehen in größerer Menge, je schneller ein Produkt gebacken wird. Das heißt: Wenn zwischen Teigherstellung und Backprozess nur wenig Zeit vergeht, empfinden manche Menschen das Produkt als schwer verdaulich – sie haben Blähungen oder ähnliche Beschwerden und vertragen das Brot dann einfach nicht gut. Hier haben wir als Handwerksbäckerei einen entscheidenden Vorteil: Wir können uns Zeit lassen. Wir arbeiten nicht mit vollautomatisierten Produktionsanlagen, wo vorne Mehl und Wasser hineingegeben werden und hinten ein fertiges Brot herauskommt, das über Förderbänder läuft. Wir arbeiten mit dem Teig von Hand. Zum Beispiel beim Emmerbrot: Da geben wir den Teig in Wannen und lassen ihn bis zu 16 Stunden über Nacht ruhen. Erst danach wird er von Hand weiterverarbeitet und gebacken. Dadurch hat der Teig eine viel längere Quellzeit und Reifezeit. In dieser Zeit kann die Hefe die unverdaulichen Zuckerstoffe abbauen – sie sind später im fertigen Produkt kaum noch vorhanden. Ich denke, das ist ein großer Vorteil der Handwerksbäckerei: Wir können den gesamten Prozess bewusst anders gestalten – wenn wir es wollen.
Und ihr habt euch entschieden, diesen Weg zu gehen – also dem Produkt mehr Zeit zu geben, um es bekömmlicher zu machen?
Ja, ganz genau. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir dadurch deutlich weniger – oder beim Brot sogar gar keine – Backhilfsmittel verwenden müssen. Das heißt, wir kommen ohne zusätzliche Enzyme oder andere Zusätze aus, weil wir die notwendige Zeit investieren. Zum Vergleich: Wer zuhause schon einmal einen Teig mit dem Handrührgerät gemacht hat, weiß, dass man meist nur so lange rührt, bis Mehl und Wasser vermischt sind – und das war’s. Unsere Teige dagegen kneten wir in einem Spiralkneter intensiv – 16 bis 20 Minuten lang. Diese Zeit nehmen wir uns ganz bewusst. Dadurch entwickelt sich die Teigstruktur gut, der Teig klebt nicht – ganz ohne Hilfsmittel. Natürlich könnte man auch bestimmte Enzyme zusetzen und den Teig dann in nur 6 oder 7 Minuten fertig kneten. Aber genau das wollen wir nicht. Wir investieren lieber Zeit, um auf Zusatzstoffe verzichten zu können und gleichzeitig die Bekömmlichkeit zu erhöhen.
Welche Rolle spielen die Zutaten für Bekömmlichkeit und Genuss?
Wir versuchen, soweit es möglich ist, regionale Rohstoffe zu verwenden. Unser gesamtes Mehl beziehen wir zum Beispiel von der Benzmühle in Heidenheim. Diese arbeitet wiederum mit Vertragsbauern aus der Region zusammen, die ihr Getreide direkt dorthin liefern. Das ist nicht nur für die Qualität entscheidend, sondern stärkt auch die Region. Ein weiteres Beispiel: Für unsere Croissants verwenden wir nach wie vor Butter – echte Butter. Viele Bäckereien greifen aus Kostengründen auf Margarine mit Buttergeschmack zurück. Da werden dann künstliche Aromen oder andere Stoffe eingesetzt, damit die Margarine wie Butter schmeckt. Solche Ersatzprodukte lehnen wir ab – wir setzen lieber auf echte, ehrliche Zutaten.
Also Regionalität nicht nur beim Mehl, sondern auch bei anderen Zutaten – wo immer möglich?
Genau. Regionalität ist für uns ein zentrales Thema – aber auch die Qualität spielt eine ganz wichtige Rolle. Ein gutes Beispiel sind unsere Erdbeerschnitten: Seit Ostern bieten wir diese im Sortiment an – ganz klassisch, wie man sie vom Bäcker kennt. Allerdings gibt es zu diesem Zeitpunkt oft noch keine deutschen Erdbeeren. Die Kundschaft fragt aber trotzdem schon danach. Also greifen wir zunächst auf Erdbeeren aus dem Ausland zurück – etwa aus Holland oder Italien, meist aus Gewächshäusern. Für mich ist das grundsätzlich in Ordnung, auch wenn der Lieferweg natürlich etwas länger ist. Sobald aber deutsche Erdbeeren verfügbar sind, stellen wir sofort um. In diesem Jahr war es allerdings besonders schwierig: Wegen des vielen Regens hatten die deutschen Erdbeerbauern große Probleme mit der Qualität. Es gab häufiger Pilzbefall oder die Früchte waren zu weich und matschig. Deshalb mussten wir zwischenzeitlich wieder auf ausländische Ware zurückgreifen – einfach um sicherzustellen, dass unsere Erdbeerschnitten auch wirklich frisch und genießbar bleiben. Denn niemand hat etwas davon, wenn man sich beim Bäcker eine schöne Erdbeerschnitte kauft – und am nächsten Tag ist sie durchgeweicht und unappetitlich. Solche Entscheidungen müssen wir immer wieder treffen – je nach Witterung, Qualität der Ware und natürlich der Nachfrage.
Im Zweifel ist die Qualität für euch das wichtigere Kriterium?
Ja.
Und Mehl ist nach wie vor die wichtigste Zutat beim Bäcker?
Ja, das ist unsere Hauptzutat.
Moderne Getreidesorten sollen auch dafür verantwortlich sein, dass immer mehr Menschen auf Gluten empfindlich reagieren. Stimmt das?
Darüber wird viel diskutiert –ich persönlich halte es für plausibel, dass hochgezüchtete Getreidesorten dabei eine Rolle spielen. Ein Landwirt muss sich jedes Jahr entscheiden, welche Sorte er anbaut. Es gibt viele verschiedene Weizensorten, und jede hat ihre eigenen Vor- und Nachteile. Dabei wird ständig an neuen Züchtungen gearbeitet: Man achtet auf höhere Erträge, Schädlingsresistenz, geringe Wuchshöhe (damit das Getreide bei Sturm nicht umknickt) – und vieles mehr. Dabei kann es natürlich passieren, dass sich auch Inhaltsstoffe verändern – etwa solche, auf die manche Menschen empfindlich reagieren.
Hängt es vielleicht auch damit zusammen, dass manche Menschen bestimmte Getreidesorten nicht mehr vertragen?
Ja, möglicherweise. Genau deswegen sind ursprüngliche Getreidearten wie Dinkel, Emmer oder Urkorn aktuell wieder so gefragt. Diese Sorten wurden eben nicht über Jahrzehnte hochgezüchtet. Man greift bewusst auf die ganz ursprünglichen Varianten zurück. Zwar ist der Ertrag dabei deutlich geringer, aber da der Marktpreis für diese Produkte höher ist, rechnet sich das für die Landwirte dennoch.
Das heißt, die Produkte aus speziellen Mehlen wie Dinkelmehl sind auch deshalb teurer, weil man weniger ertragreiche, nicht hochgezüchtete Sorten verwendet?
Wenn ich meine Einkaufspreise anschaue, liegt Dinkelmehl etwa 25 bis 30 Prozent über dem Preis von Weizenmehl. Diesen Preis muss ich natürlich an meine Kunden weitergeben. Gleichzeitig bringen diese Sorten auch Herausforderungen mit sich, die ich als Bäcker ausgleichen muss.
Welche Herausforderungen meinst du konkret?
Dinkel lässt sich beispielsweise deutlich schwieriger verarbeiten als moderner Weizen. Die Züchtung der letzten Jahre war nicht nur auf den Landwirt ausgerichtet, sondern auch auf die Verarbeitung durch den Bäcker. Der Glutengehalt oder der Stärkeanteil muss so beschaffen sein, dass ein formbares, stabiles Brot entsteht. Dinkel oder Emmer haben diese züchterischen Anpassungen nicht erfahren. Das macht es für uns deutlich anspruchsvoller, damit zu arbeiten.
Wie gehst du mit diesen Herausforderungen um?
Zum Beispiel führen wir unser Emmerbrot über Nacht, rund 16 Stunden. Eine direkte Verarbeitung wäre gar nicht möglich. Das Mehl braucht diese Reife- und Verquellungszeit, damit wir es ohne Backzusätze verarbeiten können. Sonst würde das Brot flach wie ein Fladen werden – die nötige Standfestigkeit fehlt einfach.
Was beobachtest du beim Kundenverhalten im Hinblick auf Unverträglichkeiten?
Viele Menschen kommen zu uns in den Laden und sagen, sie vertragen keinen Weizen. Oft berichten sie von Beschwerden wie Völlegefühl oder Unwohlsein. Sie greifen dann gerne auf Dinkelprodukte zurück. Dabei gehört Dinkel botanisch zur Gattung des Weizens. Wenn man sich den Stammbaum anschaut, ist es einfach eine andere Weizenart, genau wie Emmer.
Heißt das, die Inhaltsstoffe sind sich sehr ähnlich?
Ganz genau. Wenn jemand Dinkel verträgt, aber Weizen nicht, kann es eigentlich keine klassische Weizenallergie sein – dafür sind die Inhaltsstoffe viel zu ähnlich. Ich vermute eher, dass manche Menschen die stark gezüchteten modernen Weizensorten nicht vertragen.
Viele verwechseln wohl auch Zöliakie mit einer Unverträglichkeit?
Ja, das ist leider häufig der Fall. Es gibt viele Kunden, die sagen, sie hätten Zöliakie – kaufen dann aber Dinkelprodukte, weil sie diese vertragen. Das passt nicht zusammen. Bei einer echten Zöliakie bilden sich im Darm Entzündungen, das ist eine schwere Erkrankung. Wer Dinkel ohne Probleme essen kann, hat mit großer Wahrscheinlichkeit keine Zöliakie, sondern eher eine Unverträglichkeit gegenüber bestimmten modernen Sorten.
Würdest du sagen, die Kunden werden gesundheitsbewusster?
Ja, definitiv. Das spüren wir ganz deutlich. Der Bäckermeister von heute muss sich mit diesen Themen auskennen. Nur dann kann man das eigene Sortiment entsprechend anpassen. Und unsere Verkäuferinnen müssen ebenfalls geschult sein, um fundierte Beratungsgespräche zu führen. Das ist ein echter Mehrwert, den wir bieten – im Gegensatz zum anonymen Einkauf beim Discounter.
Ein anderes Thema: Immer mehr Menschen backen ihr Brot oder ihre Brötchen selbst. Hast du da ein paar Insider-Tipps für Hobbybäcker?
Ich unterstütze das sehr gerne! Wir verkaufen sogar unseren hauseigenen Sauerteig, damit unsere Kundinnen und Kunden zuhause ein echtes Sauerteigbrot backen können. Viele sehen dadurch erst, wie viel Arbeit dahintersteckt.
Und was wären deine drei besten Tipps fürs Brotbacken zuhause?
Erstens: Bitte kein Thermomix! Der ist ein Mixer, keine Teigknetmaschine. Verwende lieber ein Handrührgerät mit Knethaken. Zweitens: Lang kneten! Wirklich – mindestens 15 Minuten. Am besten auf die Uhr schauen. Drittens: Gib dem Teig Zeit! Verwende weniger Hefe als im Rezept angegeben und führe den Teig über Nacht im Kühlschrank. So kann er in Ruhe reifen.
Was sollte man beim Backofen beachten?
Haushaltsöfen haben meist zu wenig Speicherwärme. Wenn du also ein oder zwei Brote einschiebst, fällt die Temperatur schnell stark ab – manchmal auf 130 oder 140 Grad, obwohl vorher 250 Grad angezeigt wurden. Das ist zu wenig. Mein Tipp: Einen Pizzastein oder Schamottstein verwenden, um mehr Wärmespeicherung zu erreichen. Und eine Metallschüssel mit Wasser in den Ofen stellen, um die nötige Luftfeuchtigkeit zu erzeugen.
Spannend, dass ihr auch Sauerteig verkauft!
Ja, die Nachfrage kam direkt von unseren Kunden. Und wir dachten: Warum nicht? Wenn jemand zuhause ein gutes Sauerteigbrot backen möchte – gerne! Wir freuen uns, wenn wir unser Wissen und unsere Produkte teilen können. Ich finde das immer spannend, wenn mir die Leute dann von ihren Erfolgserlebnissen berichten. Es freut mich sehr, wenn das Brot zu Hause gelingt und etwas Gutes dabei herauskommt. Diese Menschen beschäftigen sich oft viele Stunden mit dem Backen – was auch notwendig ist, wenn es gut werden soll. Dann findet man den Preis von vier Euro oder mehr beim Bäcker plötzlich gar nicht mehr so teuer, weil man ja weiß, was alles dahintersteckt (lacht).
Wie ist das Verhältnis zwischen Material, Herstellung und dem Drumherum?
Wenn man rein die Herstellung betrachtet, also den Produktionsprozess selbst, liegen die Personalkosten bei der Herstellung bei etwa 20 Prozent. Die Rohstoffe machen ebenfalls rund 20 Prozent aus. Dann kommen aber noch viele weitere Faktoren hinzu: Verwaltung, Transportwege, der Verkaufsladen, das Verkaufspersonal – all das muss mit einberechnet werden. Außerdem gibt es leider immer eine gewisse Retourenquote. Nicht alle Produkte werden verkauft, und die übrigen müssen von den verkauften mitgetragen werden.
Was passiert mit den Backwaren, die am Abend übrig bleiben?
Mir tut es jedes Mal im Herzen weh, wenn ich sehe, was übrigbleibt. Aber die Kunden erwarten, dass bis kurz vor Ladenschluss eine gewisse Auswahl verfügbar ist. Es ist nicht unser Anspruch, das komplette Sortiment bis Ladenschluss vorzuhalten –wir steuern unsere Retouren sehr bewusst. Es gibt Produkte, deren Herstellung teurer ist als andere, und es gibt auch sogenannte Dauerbackwaren – zum Beispiel Mandelhörnchen oder unsere Müsliriegel – die kann man ohne Probleme am nächsten Tag noch verkaufen. Dann gibt es allerdings auch A-Produkte wie Brezeln, Briegel oder Tafelbrötchen – die müssen einfach verfügbar sein, bis zum Schluss. Das ist in unserer Region wichtig.
Und was passiert mit Produkten, die wirklich nicht mehr verkauft werden können?
Bei Konditoreiwaren wie Sahne- oder Cremestücken ist es leider so, dass sie nach einer gewissen Zeit mikrobiell belastet sein können – die müssen wir aus hygienischen Gründen entsorgen. Da führt kein Weg dran vorbei. Andere süße Stückchen wie Quarktaschen, Erdbeer-Rhabarber-Plunder oder Wiener Nussbögen sind vollständig durchgebacken und völlig verzehrfähig – sie schmecken nur vielleicht nicht mehr ganz so frisch. Diese Produkte spenden wir an die Tafel in Schwäbisch Gmünd.
Was passiert mit übrig gebliebenem Brot und Brötchen?
Alle Brötchen, die ohne Körner gebacken wurden, verarbeiten wir zu Weckmehl oder Knödelbrot weiter. Und bei jeglichem Brot – egal ob mit oder ohne Körner – arbeiten wir seit vielen Jahren mit der JVA Schwäbisch Gmünd zusammen. Das Frauengefängnis dort erhält unser Brot stark vergünstigt. So wird es nicht entsorgt. Was darüber hinaus übrig bleibt – wobei das selten vorkommt – verwenden wir zum Teil für die Herstellung unseres Sauerteigs.
Das heißt, ihr nutzt altes Brot für neuen Sauerteig? Wie funktioniert das?
Wenn das Brot schon einmal gebacken wurde, hat es mehr Aroma, mehr Rösche, es ist dunkler und geschmacklich intensiver. Wenn ich dieses Brot – zum Beispiel ein klassisches genetztes – mit Wasser einweiche, mit frischem Mehl und Sauerteigkulturen vermenge, dann bringt es von Anfang an mehr Aroma und bessere Frischhaltung in den neuen Sauerteig.
In welchen Dimensionen bewegt ihr euch da?
Wenn wir einen frischen Ansatz für Sauerteig machen, verwenden wir etwa 400 Kilogramm Gesamtmasse. Davon sind 200 Kilogramm Wasser, der Rest ist Mehl und altes Brot. Ungefähr die Hälfte – also etwa 100 Kilogramm – können aus altem Brot bestehen. Das wären theoretisch bis zu 200 Brote. Aber so viel bleibt bei uns gar nicht übrig – das ist auch nicht unser Ziel. Lieber verkaufen wir das Brot frisch! (lacht)
Das klingt nach einem durchdachten und nachhaltigen Kreislauf. Am Ende wird fast nichts weggeworfen, richtig?
Ganz genau. Außer den sahne- und cremehaltigen Produkten, die wir aus hygienischen Gründen entsorgen müssen, versuchen wir wirklich alles wiederzuverwenden. Wir haben auch keinen großen Presscontainer oder Ähnliches, wo alles in die Biogasanlage wandert. Nein, wir achten sehr auf eine saubere Kette. Was wir wirklich gar nicht mehr verwerten können, geben wir kostenlos an Landwirte weiter.
Du bist Familienunternehmer in der dritten Generation?
Das ist richtig, ja.
Ist das eine Tradition, die erwartet wird? Würdest du dir auch wünschen, dass deine Kinder einsteigen?
Also meine Kinder sind noch sehr jung, aber natürlich mache ich mir zu diesem Thema bereits meine Gedanken. Ich fand es damals sehr gut, dass ich nicht gedrängt wurde. Es hieß nie zu mir: “Du musst das jetzt machen” oder Ähnliches. Es war meine freie Entscheidung, und das war sehr wichtig für mich. Tatsächlich ist es auch mein oberstes Ziel in meinem beruflichen Leben, die Firma eines Tages an die nächste Generation zu übergeben. Diese nächste Generation muss dabei nicht zwingend aus meinen eigenen Kindern bestehen – auch sie sollen frei entscheiden dürfen, welchen Weg sie gehen möchten. Wenn ich eines Tages einen anderen Nachfolger finde, der mit Freude und Überzeugung übernimmt, dann bin ich damit auch sehr zufrieden. Mein Ziel ist es, das Unternehmen so gut aufzustellen, dass jemand wirklich Interesse und Lust darauf hat, es weiterzuführen. Das ist, glaube ich, meine Hauptaufgabe im Alltag: die Firma so zu gestalten, dass sie Zukunft hat und Begeisterung weckt.
Bist du mehr Unternehmer oder mehr Handwerker, also Bäcker?
Wenn ich die Frage in Schwarz-Weiß beantworten müsste, würde ich sagen: Unternehmer. Aber die Wahrheit liegt definitiv irgendwo dazwischen. Aktuell arbeite ich „als Bäcker“ zum Beispiel an einem neuen Rezept für unser Sommerbrot. Wir möchten dabei eine neue Weizensorte verwenden – Semola. Es macht mir einfach unheimlich Spaß, da herumzutüfteln und die verschiedenen Vorstufen für das Produkt zu definieren. Wir unterscheiden bei uns zwischen Quellstücken, Brühstücken, Kochstücken, Sauerteigen und Vorteigen. Insgesamt sind das fünf unterschiedliche Vorstufen, bevor wir überhaupt den Hauptteig machen. Mir steht somit ein „Baukasten“ aus handwerklichem Können zur Verfügung. Beim Dinkel-Ruchmehlbrot zum Beispiel nehmen wir einen Teil des Getreides und kochen ihn in Wasser. Dabei entsteht eine sehr feste, gleichmäßige Masse. Diese lassen wir über Nacht auskühlen und setzen sie am nächsten Tag dem Hauptteig zu – das ist dann unser sogenanntes Brühstück. Es bringt dem Brot sehr viel Frische. Aber man darf es natürlich nicht übertreiben. Wenn ich zu viele Vorstufen hinzufüge, hat das Brot später keine schöne Kruste mehr. Ich möchte ja auch einen gewissen Biss, ein leichtes Splittern – das gehört für mich dazu. Es ist wirklich spannend, für jedes Produkt die richtige Methode auszuwählen, damit es am Ende genau so wird, wie man es sich vorstellt.
Ich finde es interessant, wie du über deine Produkte sprichst – fast so, als würdest du sie alle „mit Vornamen“ kennen.
Für mich geht es nicht nur darum, ein Brötchen oder ein Brot zu verkaufen – auch wenn das natürlich Freude macht. Es geht mir vor allem um den Herstellungsprozess, die Qualität, die Zusammensetzung. Und von daher sehe ich mich wirklich in der Mitte: Ich bin Unternehmer, muss schauen, dass das Unternehmen in allen Facetten läuft. Aber ich liebe es auch, in der Backstube zu stehen, neue Produkte auszuprobieren oder bestehenden Produkten den Feinschliff zu geben – oder herauszufinden, wo sich eventuell Fehler eingeschlichen haben. Es kommt letztlich immer darauf an, was für ein Produkt man haben möchte, was die Zielsetzung ist. Ich habe dabei die Freiheit, es in die eine oder andere Richtung zu entwickeln. Wenn ich ein grobporiges Brot möchte, dann gestalte ich es so. Wenn ich hingegen ein gleichmäßiges Porenbild anstrebe – damit man etwa Butter gut verteilen kann, ohne dass sie in den Löchern verschwindet, und damit Marmelade hält – dann wähle ich eine andere Herstellungsweise. Und ja, dabei selbst mit den Händen im Teig zu sein – das ist einfach unheimlich schön.
Vielen lieben dank für das tolle Gespräch!
Sehr gerne!










