_edited.jpg)
MAA spricht mit Sabine Kant
„Studentin mit 45 – „Das hat mein Leben verändert“
Mitten im sicheren, aber ungeliebten Berufsalltag entschied sich Sabine Kant mit 45 für einen radikalen Neuanfang: Sie kündigte, schrieb sich für ein Studium ein und wagte den Schritt in ein völlig neues Berufsfeld. Heute – einige Jahre später – blickt sie zurück und sagt: Es war der schwerste, aber auch der wichtigste Schritt ihres Lebens. Ihre Geschichte macht Mut, dass Veränderungen in jedem Alter möglich sind.
MENSCHEN-AALEN.DE wird unterstützt durch
Das könnte dich auch interessieren
Bild: Canva, Bild dient nur der Veranschaulichung
Sabine, erzähl uns: Wer bist du – und wie sah dein Leben aus, bevor du dich entschieden hast, alles zu verändern?
Ich bin Sabine, heute 51 Jahre alt. Bis vor ein paar Jahren war mein Leben eigentlich klar geregelt: Ich habe fast 20 Jahre lang in derselben Firma gearbeitet, immer im Büro, immer dieselben Abläufe. Es war sicher, es war geordnet – aber ich war unglücklich. Jeden Montag bin ich mit Bauchschmerzen aufgestanden, habe gedacht: Noch fünf Tage durchhalten, dann ist Wochenende. Und gleichzeitig habe ich mich gefragt: Soll das jetzt wirklich alles gewesen sein? Noch 20 Jahre genau so?
Wann kam der Punkt, an dem du gemerkt hast: Ich muss etwas ändern?
Das kam schleichend. Erst war es nur dieses Gefühl von Leere, von „eigentlich läuft alles – und trotzdem passt es nicht“. Dann wurden die Tage schwerer. Ich war oft gereizt, erschöpft, hatte das Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein.
Der eigentliche Wendepunkt war ein Gespräch mit einer Kollegin. Sie meinte: „Wenn du jetzt nicht anfängst, etwas zu ändern, wirst du in zehn Jahren genauso hier sitzen und jammern.“ Das hat gesessen. Ich habe an dem Abend lange wach gelegen und gemerkt: Sie hat recht.
Wie kamst du ausgerechnet auf die Idee, nochmal zu studieren?
Das war ein alter Traum. Schon mit Anfang 20 wollte ich eigentlich Psychologie studieren. Aber damals hieß es: „Mach was Vernünftiges, etwas Sicheres.“ Also bin ich im Büro gelandet und habe das nie infrage gestellt. Aber der Wunsch war nie ganz weg.
Mit 45 habe ich dann gedacht: Warum eigentlich nicht jetzt? Klar, ich war älter als die meisten Studierenden, klar, es war ein Risiko – aber wenn nicht jetzt, wann dann? Also habe ich mich informiert, wie das funktioniert, habe Bewerbungen geschrieben und mich tatsächlich eingeschrieben.
Wie war es, als Frau Mitte 40 wieder im Hörsaal zu sitzen?
Am Anfang furchtbar einschüchternd. Um mich herum saßen 18-, 19-Jährige, die gerade frisch aus der Schule kamen. Ich fühlte mich wie ihre Mutter. Ich dachte: „Die werden mich auslachen.“ Aber das Gegenteil war der Fall. Viele waren neugierig, fanden es spannend, dass ich den Mut hatte, nochmal ganz von vorne anzufangen. Und irgendwann habe ich gemerkt: Wissen kennt kein Alter. Jeder bringt seine eigene Perspektive mit.
Natürlich war es anstrengend. Ich habe nebenbei noch Teilzeit gearbeitet, um Geld zu verdienen. Ich habe nachts gelernt, während andere schliefen. Es gab Momente, in denen ich dachte: „Das packst du nicht.“ Aber dann habe ich mir gesagt: Ein Schritt nach dem anderen.
Gab es Phasen, in denen du alles hinschmeißen wolltest?
Ja, mehr als einmal. Vor allem im ersten Jahr. Da kam alles zusammen: Prüfungsdruck, Selbstzweifel, Geldsorgen. Ich erinnere mich an eine Situation, in der ich heulend am Küchentisch saß und dachte: „Ich bin zu alt dafür.“ Aber dann habe ich mir klargemacht: Ich mache das nicht, weil es einfach ist. Ich mache es, weil es mir wichtig ist. Das hat mich getragen.
Was hat dir geholfen, dranzubleiben?
Zum einen meine Familie. Mein Mann hat gesagt: „Mach das, ich halte dir den Rücken frei.“ Das hat mir viel Sicherheit gegeben. Zum anderen habe ich mir selbst immer wieder vor Augen geführt, warum ich angefangen habe. Ich wollte nicht mehr nur funktionieren – ich wollte Sinn.
Und dann waren es die kleinen Erfolge: eine bestandene Prüfung, ein gutes Gespräch mit einem Dozenten, ein Moment, in dem ich merkte: Ich wachse gerade über mich hinaus.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als du diesen Schritt gegangen bist?
Ganz unterschiedlich. Einige haben gesagt: „Wow, das ist mutig.“ Andere haben den Kopf geschüttelt: „Mit 45? Warum tust du dir das an?“ Manche Freunde haben mich sogar gewarnt: „Du setzt deine Sicherheit aufs Spiel.“ Aber am Ende war es meine Entscheidung – und ich habe gelernt, dass man nicht für alle richtig handeln kann.
Heute, sechs Jahre später – wie sieht dein Leben aus?
Heute arbeite ich tatsächlich als Psychologin. Ich habe den Schritt geschafft, mein Studium abgeschlossen und meinen alten Job hinter mir gelassen. Es war hart, es war teuer, es war anstrengend – aber es hat sich jede Minute gelohnt. Ich gehe jetzt mit Freude zur Arbeit. Ich weiß, dass ich etwas tue, das Menschen wirklich hilft.
Vor allem aber habe ich etwas gewonnen, das unbezahlbar ist: das Gefühl, mein eigenes Leben zu leben. Nicht das, was andere für vernünftig hielten – sondern das, was ich mir immer gewünscht habe.
Was möchtest du anderen Frauen sagen, die vielleicht selbst mit dem Gedanken spielen, nochmal neu anzufangen – aber Angst haben?
Ich sage: Habt Mut. Natürlich gibt es Zweifel, natürlich gibt es Risiken. Aber das größte Risiko ist, nichts zu tun und unglücklich zu bleiben. Fangt klein an: Informiert euch, sprecht mit Menschen, die den Weg schon gegangen sind, probiert etwas Neues im Kleinen aus. Ihr müsst nicht gleich alles hinschmeißen. Aber fangt an, euren Wunsch ernst zu nehmen.
Und vergesst nicht: Es ist nie zu spät. Mit 45, mit 50, mit 60 – jeder Tag, an dem ihr beginnt, ist besser als noch ein Jahr im „Vielleicht irgendwann“.










