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Politik & Gesellschaft

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MAA spricht mit Sandra Stahl

Beide Beine bei Autounfall zertrümmert: "Wo war da dein Gott?"

Ein einziger Moment veränderte ihr Leben für immer: Am 23. Oktober 2010 wurde Sandra Stahl aus Bopfingen in einen schweren Autounfall verwickelt, bei dem ihre Beifahrerin ums Leben kam. Sie selbst überlebte schwer verletzt. Doch anstatt an diesem Schicksal zu zerbrechen, fand sie Halt – in ihrem Glauben, in ihrer Familie und in der Kraft der Vergebung. Vergebung gegenüber dem, der diesen Unfall zu verschulden hatte.

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Bild: Sandra Stahl, privat

Sandra, wenn du an den 23. Oktober 2010 zurückdenkst – kannst du uns erzählen, was an diesem Tag passiert ist?


An diesem Tag war ich mit einer Freundin, ihrem Sohn und meiner kleinen Tochter unterwegs nach Nürnberg. Wir fuhren gerade aus Unterriffingen, einer kleinen Ortschaft, heraus – 50 km/h – als uns plötzlich ein Auto entgegenkam. Es war, wie sich später herausstellte, ein junger Mann, der mit etwa 145 km/h unterwegs in der 70er-Zone unterwegs war. Auf einer uns entgegenkommenden Straßenkuppe hob sein Wagen durch die viel zu erhöhte Geschwindigkeit ab, alle vier Räder waren in der Luft. Ich erinnere mich, dass wir im Auto noch geschockt darüber sprachen, wie wahnsinnig der Mann raste  – keiner von uns ahnte, was in den nächsten Sekunden passieren würde. Ich dachte, er landet und fährt an uns vorbei. Doch er verlor die Kontrolle und kam frontal auf unsere Spur. Der Aufprall war so heftig, dass es unser Auto komplett zerstört hat.


"Mit 145 km/h in der 70er-Zone"

 


Was sind deine ersten Erinnerungen nach dem Unfall – oder die Momente, die dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?


Mein Kopf war erstaunlich klar – nur die paar Sekunden des Aufpralls fehlen mir. Als ich wieder bei Bewusstsein war, sah ich sofort dieses Trümmerfeld um mich herum. Meine Freundin, die meine Beifahrerin war, hing halb aus dem Auto. Mein Wagen war völlig zerstört, Rauch überall. Meine Tochter schrie – dieser Schrei, den vergesse ich nie. Ich wollte mich abschnallen, aber der Gurt klemmte. Dann merkte ich, dass meine Beine eingeklemmt waren. Ich sah den Unfallverursacher – sein Auto lag auf dem Dach und brannte leicht. In diesem Moment wusste ich: Das hier ist ein Albtraum, aus dem ich nicht einfach aufwachen kann.


"Ich hörte noch die Schreie meiner Tochter"


Kurz darauf kam ein Ersthelfer und trug mich aus dem Auto. Ich erinnere mich an Sirenen, an Feuerwehr, an Blaulicht – und daran, dass ich die Schreie meiner Tochter noch hörte, als man mich in den Krankenwagen legte. Im Krankenhaus fiel meine Körpertemperatur durch den Blutverlust auf 34 Grad. Kurz danach wurde ich ins künstliche Koma gelegt – man wusste nicht, ob ich überlebe.


[Bild: Sandra Stahl, privat]

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Du hast bei dem Unfall deine Freundin verloren, deine Tochter wurde verletzt, du selbst schwer verletzt. Wie hast du diese ersten Tage überstanden – körperlich und seelisch?


Ich habe erst später realisiert, dass meine Freundin gestorben war. Am Unfallort dachte ich, sie sei nur ohnmächtig. Ich habe noch im Auto zu ihr gerufen: „Wach auf!“ – immer und immer wieder. Erst als ich später im Krankenhaus aus dem künstlichen Koma aufgeweckt wurde, erfuhr ich, dass sie es nicht überlebt hat.


Der Sohn meiner Freundin, der auch mit im Auto saß, wurde nur leicht verletzt. Meine damals 1 ½-jährige Tochter brach sich das Schienbein. Ich selbst war schwerst verletzt: Beide Oberschenkel waren komplett zertrümmert, über 40 Knochenbrüche allein im Oberschenkel, Schlüsselbein und Rippen gebrochen, Lunge und Leber gequetscht. Ich hatte drei Liter Blut verloren, meine Körpertemperatur war auf 34 Grad gefallen. Die Ärzte sagten meiner Familie, die nächsten Tage würden entscheiden, ob ich überhaupt überlebe.


"Über 40 Knochenbrüche allein in beiden Oberschenkel"


Ich wurde siebenmal operiert, war fünf Wochen im Krankenhaus. Es war eine verdammt harte Zeit. Die körperlichen Schmerzen waren kaum auszuhalten – aber noch schlimmer war der seelische Schmerz. Ich habe so sehr unter dem Verlust meiner Freundin gelitten. Sie war Mutter von fünf Kindern. Für mich war es unbegreiflich, wie ihre Familie ohne sie weitermachen sollte.

 


Viele Menschen würden an so einem Schicksal zerbrechen. Was hat dir geholfen, weiterzuleben?


In den ersten Tagen nach dem Unfall stand mein Leben weiter auf der Kippe. Meine Körpertemperatur war durch den massiven Blutverlust auf 34 Grad abgesunken, und die Ärzte sagten zu meiner Familie, dass ich es so wahrscheinlich nicht schaffen würde. Mein Mann und mein Papa – beide gläubige Menschen – standen an meinem Bett auf der Intensivstation und begannen laut zu beten. Sie baten Jesus, mich zu wärmen, mir Leben und Kraft zu schenken. Während sie beteten, konnten die Ärzte auf den Monitoren sehen, wie meine Körpertemperatur langsam, aber stetig anstieg. Niemand konnte sich erklären, wie das möglich war. Für die Ärzte war es medizinisch nicht nachvollziehbar – für meine Familie war es ein Wunder.


Mein Vater hatte in diesem Moment eine kleine Taschenbibel in der Hosentasche. Er schlug sie auf, ohne zu wissen, wo, und sein Finger landete genau auf Psalm 91. Hier ein Ausschnitt aus dem Psalm: „Weil er an mir hängt, will ich ihn retten. Ich bin bei ihm in der Not. Ich sättige ihn mit langem Leben.“ Für meine Familie war das wie eine Zusage, eine Bestätigung: Ich werde leben. Und tatsächlich – ich habe überlebt.


Nach dem Krankenhaus war ich drei Monate im Rollstuhl, konnte meine Beine nicht belasten. Dann kam die Reha. Ich musste das Laufen komplett neu lernen. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich nach sieben Monaten zum ersten Mal wieder ohne Krücken stand – das war wie ein kleines Wunder.


Aber ich will ehrlich sein: Es war nicht nur körperlich schwer. Ich hatte auch Wut in mir – auf den Unfallverursacher, auf das Leben, auf die Ungerechtigkeit. Es hat Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, dass dieser Hass mich selbst krank macht.

 


Du hast erzählt, dass Gebet und der Glaube an Jesus Christus eine große Rolle gespielt hat. Wie genau hat dich dieser Glaube durch die dunkelsten Phasen getragen?


Wenn du tagelang im Bett liegst, bewegungsunfähig, gefesselt an Geräte – dann bleibt dir nichts außer der Hoffnung. An der Wand hing ein Kreuz, und ich habe so oft einfach nur dorthin geschaut. Ich konnte nichts tun außer glauben. Und dieser Glaube war mein Anker. Ich wusste: Ich bin nicht allein. Ich wusste, Jesus ist da, auch wenn ich gerade keine Kontrolle mehr habe.


"Ich bin nicht allein. Ich wusste, Jesus ist da"


Viele haben mich später gefragt: „Sandra, du bist doch gläubig. Wie konnte Gott das zulassen?“ Und meine Antwort war immer dieselbe: Gott hat diesen Unfall nicht verursacht. Der junge Mann hatte die freie Wahl – er hat entschieden, ohne Führerschein und mit viel zu hoher Geschwindigkeit zu fahren. Das war nicht Gottes Wille. Gott war der, der mich durch getragen hat, als ich selbst nicht mehr konnte.

 


Du hast dem Unfallverursacher vergeben – etwas, das sich viele Menschen kaum vorstellen können. Wie kam es zu diesem Schritt, und was hat Vergebung für dich bedeutet?


Es hat acht Jahre gedauert, bis ich vergeben konnte. Am Anfang war nur Wut. Der Gedanke, dass meine Freundin tot war und er weiterleben durfte, war kaum zu ertragen. Als es zur Gerichtsverhandlung kam und ich ihm zum ersten Mal in die Augen sah, kochte alles wieder hoch. Ich konnte ihn damals nicht anschauen, ohne innerlich zu zittern.

Aber irgendwann wurde mir klar: Dieser Hass zerstört nicht ihn, sondern mich. Er lebt weiter, er spürt meine Wut gar nicht. Ich aber trug sie jeden Tag mit mir herum. Und das machte mich krank. Erst als ich ihn innerlich losgelassen und ihm vergeben habe, kam Frieden in mein Herz. Vergebung heißt nicht, dass das, was passiert ist, wieder gut gemacht werden konnte. Es heißt, dass ich mich entscheide mich frei zu machen und nicht länger in der Wut und im Hass gefangen zu bleiben.


 

Wie hat der Unfall dein Leben und dein Denken über das Leben verändert? Gibt es Dinge, die du heute anders siehst oder anders wertschätzt?


Ich habe viel zurückbehalten – Arthrose in beiden Knien, Schmerzen, die mich immer mal wieder erinnern. Aber ich jammere nicht. Ich bin dankbar. Dankbar, dass ich lebe, dass ich mit meinem Mann und meiner Tochter weiterleben darf.

Manchmal, wenn ich an meine Freundin denke, ist der Schmerz wieder da. Wenn ihre Tochter sagt: „Meine Mama fehlt mir“, trifft mich das tief. Aber ich trage sie in meinem Herzen – und ich weiß: Ich darf leben. Und das ist ein Geschenk.

Ich verschwende keine Energie mehr auf Kleinigkeiten. Ich weiß heute, wie schnell alles vorbei sein kann. Und ich habe gelernt: Geh nie im Streit auseinander. Sag deinen Liebsten, dass du sie liebst. Denn du weißt nie, ob du zurückkommst.

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