
MAA spricht mit Sonja Lietzenmayer
Kindern und Familien Leichtigkeit schenken - Wie Sonja Familien unterstützt
Ob Schulangst, Regulationsstörungen oder große Emotionen – in Sonjas Praxis finden Kinder und Eltern einen Raum, um verstanden zu werden. Im Interview spricht sie über ihren Werdegang, ihre Methoden und ihre Botschaft, warum jedes Kind einzigartig ist und nicht in enge Schubladen passen sollte.
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Bild: Sonja Lietzenmayer, privat
Hallo Sonja. Du hast dich ja nebenberuflich selbstständig gemacht. Kannst du uns erzählen, was du anbietest und wie du dazu gekommen bist?
Ich habe eine Praxis für systemische Beratung und Traumaberatung für Kinder und Erwachsene.
Ursprünglich war mein Schwerpunkt auf Kinder ausgerichtet. Meine langjährige Praxiserfahrung hat jedoch aufgezeigt, dass der Blick auf die ganze Familie und das Umfeld wichtig sind. So arbeite ich mittlerweile auch viel mit den Bezugspersonen. Oft kommen Kinder zu mir, die überwiegend mit Ängsten zu tun haben, zum Beispiel Schulangst oder Trennungsängste. Auch Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensauffälligkeiten, die oftmals als ADHS bezeichnet werden oder Probleme mit der Impulskontrolle, z. B. Wutausbrüche sind die Hauptthemen, bei denen ich in meiner Praxis weiterhelfe.
Dazugekommen bin ich durch meine Ausbildungen. Ich bin gelernte Kinderkrankenschwester und habe dadurch schon viel gesehen. Irgendwann hatte ich den Wunsch, die Frühchen, die ich auf der Intensivstation betreut habe, auch später noch begleiten zu können – also zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln. Oftmals bestehen ja Entwicklungsverzögerungen fort. Aus diesem Grund habe ich mich dann zur entwicklungsfördernden Neonatalbegleiterin weitergebildet, auch wenn ich das zunächst eher im klinischen Kontext angewandt habe.
Auf die Traumatherapie bin ich durch Katrin Boger gestoßen, eine Traumatherapeutin aus Aalen. Sie hielt einen Vortrag über Traumatherapie bei Säuglingen und Kleinkindern, der mich total beeindruckt hat – gerade das Thema der frühen Mutter-Kind-Bindung und der Prägungsphasen. Schon bei der Geburt läuft oft einiges anders als gedacht und auch das Thema Regulationsstörungen ist mir in meinem Berufsalltag immer wieder begegnet. Mit den üblichen Methoden, wie z. B. einem regelmäßigen Tagesablauf, kommt man da oft nicht weiter. Ich habe dann gelernt, dass die Ursachen häufig tiefer liegen und das hat mich sehr interessiert. Deshalb habe ich mich in diesem Bereich stetig weitergebildet und auch die Prüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie abgelegt.
Ich war in der Schule selbst jemand, der nicht stillsitzen konnte. Rückblickend sehe ich, dass ich damals einfach überfordert war – mein Vater war schwer herzkrank und mit den Symptomen und der Belastung bin ich nicht gut klargekommen. Heute finde ich es toll, Kindern in solchen Situationen helfen zu können, sodass sie nicht durch Strafen für ihr Verhalten in einen Teufelskreis geraten. Mir ist wichtig, dass man hinterfragt, woher ein bestimmtes Verhalten kommt, anstatt einfach nur zu sagen: „Sei ruhig und setz dich jetzt mal still hin.“ Wenn man frühzeitig etwas tut, kann man viel bewirken. Die meisten Kinder, die zu mir kommen, verhalten sich völlig normal – gemessen an dem, was sie erlebt haben. Das Verhalten ist sozusagen eine kreative Antwort auf ihre Erfahrungen.
Mit welchen Ängsten oder Problemen kommen die Kinder am häufigsten zu dir und wie gehst du damit um?
Das Häufigste ist tatsächlich die Angst davor, in die Schule zu gehen, was teilweise gar nicht offensichtlich begründbar ist. Manchmal hat es natürlich mit irgendwelchen negativen Erfahrungen zu tun, aber oftmals ist der Grund nicht direkt erkennbar.
Ich habe mehrere Methoden: Wenn es ein Ereignis gab, z. B. wenn die Mama im Laden nicht mehr gefunden wurde, ist das oftmals ein „Schockerlebnis“, das erst mal kaum Auswirkungen hat. Wenn jedoch eine ähnliche Situation ähnliche Gefühle hervorruft, kann dies dann die Ängste größer werden lassen. Man kann diese erste Situation mit verschiedenen Methoden anschauen, um sie zu verarbeiten und meistens wird die Angst dann weniger oder löst sich sogar ganz auf.
Manchmal steckt aber auch mehr dahinter, deswegen der systemische Blick auf die Familie und das Umfeld. Dann dürfen auch die Eltern ein bisschen arbeiten, wenn sie eigene Themen haben. Die Vererbung von Traumata kann genauso eine Rolle spielen wie eine größere psychische Belastung während der Schwangerschaft. Dann schauen wir eben auch da hin, was es bei der Mama oder beim Papa noch aufzulösen und loszulassen gibt. Das geht dann Hand in Hand, manchmal auch zusammen mit anderen Therapeuten.
Also stärkst du nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern. Warum ist dieser Teil deiner Arbeit für dich auch so wichtig?
Weil ich finde, dass gerade in den letzten Jahren, der Leistungsdruck extrem gestiegen ist, v. a. durch die ganzen sozialen Medien. Es werden überwiegend schön geschminkte Mütter mit Topfigur abgebildet, die ausgeglichen sind. Aber das ist einfach nicht die Realität, wenn man frisch entbunden hat oder auch im ganz normalen Familienalltag. Durch die Mehrbelastung, die Mütter und Väter jetzt haben – mit Beruf, Familie, Haushalt und Hobbys – entstehen viele Zweifel.
Oft ist man dann wie in einem Hamsterrad und weiß nicht mehr, wie man da raus kommt. Und dann bekommt man von außen allerhand Ratschläge und weiß irgendwann gar nicht mehr, was richtig ist. Es gibt jedoch kein Richtig und Falsch in dem Sinn. Jede Familie ist individuell und weiß eigentlich, was sie braucht. Das ist eins meiner größten Anliegen, den Mutter-/Vaterinstinkt und das eigene Bauchgefühl wieder bewusst wahrzunehmen und wieder im Moment zu sein.
"Das ist eins meiner größten Anliegen, den Mutter-/Vaterinstinkt und das eigene Bauchgefühl wieder bewusst wahrzunehmen und wieder im Moment zu sein."
Eine Geburt kann auch sehr prägend sein. Wie kommunizierst du mit den Eltern den Zusammenhang zwischen frühen Erfahrungen und späteren Ängsten?
Das ist etwas, das ich immer abfrage: Wie die Schwangerschaft und die Geburt waren, welche Ereignisse es gab, Verluste zum Beispiel oder besonderen Stress. Oft zeigen sich Auffälligkeiten schon in der Zeit nach der Geburt, wenn ein Kind viel geweint und wenig geschlafen hat. Das kann darauf hindeuten, dass das Nervensystem überreizt war, was sich dann später auf andere Situationen ausweiten kann. Und das betrifft nicht nur Ängste, sondern kann sich auf sämtliche Verhaltensweisen beziehen.
Bei den meisten Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten lag in der Vergangenheit ein belastendes Erlebnis, das womöglich von den Bezugspersonen gar nicht als solches wahrgenommen wurde.
Was kann man in solchen Fällen tun? Welche Methoden oder Übungen gibt es, um die Kinder entsprechend zu unterstützen? Was können die Eltern auch zu Hause machen?
Ich arbeite mit ganzheitlichen Methoden, die das Stressniveau im Körper senken, bzw. das Nervensystem beruhigen. Das spielt eine große Rolle. Zusätzlich ist zu Hause – gerade bei Babys – wichtig, Ruhe zu haben und sich nach der Geburt Zeit zu geben, um anzukommen.
Man muss nicht gleich zu jedem Kurs gehen, wenn einem noch nicht danach ist. Es muss auch nicht gleich die ganze Verwandtschaft kommen. Entscheidend ist, wie man selbst die Geburt empfunden hat, wie ich als Mama oder Papa das erlebt habe und ob ich das schon verarbeitet habe. Wenn ich noch zu kämpfen habe, sollte ich mir die Zeit geben, die ich brauche, bis ich sagen kann: „Jetzt sind wir soweit, dass wir nach außen gehen können.“
Auch Rituale bieten einen sicheren Rahmen für die Kinder und für die Eltern. Hiermit kann man frühzeitig beginnen.
Ansonsten ist es immer ganz individuell auf die Familie und das Alter des Kindes abgestimmt, was ich als Anregungen für den Alltag mitgebe.
Interessant, du sagtest eben, dass eine Geburt traumatisch fürs Baby sein, aber auch für die Mutter oder sogar für den Vater, der ja „nur“ dabei ist. Auch für ihn kann es ein prägendes Erlebnis sein, das vergisst man ja tatsächlich oft.
Ja, stimmt. Es ist oft so, dass eine Situation von außen gesehen gar nicht extrem dramatisch wirkt, aber allein wenn man mit einer normalen Geburt gerechnet hat und dann wird es ein Kaiserschnitt, ist das trotzdem ein Verarbeitungsprozess, den man sich erlauben darf. Man muss sich von der Wunschgeburt, die man gern gehabt hätte, verabschieden und die Realität akzeptieren.
Wenn ein Kind dann noch auf die Intensivstation muss, wegen Anpassungsstörungen oder ähnlichem, ist das für die Eltern und auch für das Baby eine vielleicht sehr schwere erste Trennungserfahrung.
Väter sind hier oftmals in der Situation, dass sie sich hilflos fühlen, weil sie gefühlt nichts machen können.
Hier biete ich den Raum, um mit diesen Erlebnissen innerlich Frieden zu schließen
Du bist ja auch ein sehr spiritueller Mensch und machst eigene Musik. Fließen diese Aspekte in deine therapeutische Arbeit ein, bzw. wie integrierst du das in deinem Alltag?
Tatsächlich integriere ich das in meinen Alltag, indem ich Erlebnisse und Gefühle in Liedern verarbeite. Ich schreibe und komponiere immer aus dem Gefühl heraus, das mich gerade beschäftigt und setze mich somit aktiv damit auseinander. Das hat etwas von „im Moment ankommen“. Und genau das spielt in der Traumabehandlung auch eine große Rolle: Wieder im jetzigen Moment, in der Präsenz zu sein. Musik ist dafür ein sehr guter Zugang.
In meiner Praxis nutze ich Klangspiele mit erdenden Tönen. Wenn die Kinder und Mamas bei mir auf der Liege liegen, entspannt sind und ich mit dem Klangspiel über den Körper gehe, dann sind sie oft wie am Schweben. Musik weckt Emotionen oder beruhigt. Das ist ja das Hauptthema: das Nervensystem zu beruhigen und sich wohl zu fühlen. Dann ist man wieder in der Lage, handlungsfähig zu sein.

Wo gibt es die Möglichkeit, deine eigene Musik anzuhören? Hast du die Musik irgendwo veröffentlicht oder gibt es die exklusiv bei dir?
Ich bin regelmäßig auf Live-Konzerten zu sehen. Mittlerweile habe ich ein paar Videos auf YouTube. Hier bin ich aber noch im Aufbau und habe bisher noch nicht so viel Zeit investieren können. Da kommt auf jeden Fall noch mehr. Termine und Infos dazu gibt es auf meiner Homepage (www.steilsonja.de).
Wie schaffst du es, Mutter, Angestellte und Selbständige zu sein, ohne dich selbst aus den Augen zu verlieren? Wie muss man sich deinen Alltag vorstellen?
Gute Frage. Also grundsätzlich ist es schon herausfordernd. Ich bin mittlerweile aber schon lange daran gewöhnt und meine Kinder haben tolle Großeltern, die immer unterstützt haben. Ich bin vom Typ her jemand, der viel Energie hat und gern abwechslungsreich unterwegs ist. Manchmal wäre es mir aber auch nicht unrecht, wenn es etwas weniger wäre.
Ein guter Ausgleich ist sehr wichtig. Wenn die Kinder mit dem Papa unterwegs sind, habe ich freie Wochenenden, die ich dann auch für mich nutze. Ich besuche zum Beispiel Seminare für mein seelisches Wohlbefinden, gehe in die Berge oder mache Musik. Ich glaube, das ist etwas, das man als Mama nicht vergessen darf – am besten so früh wie möglich damit beginnen. Und wenn es nur eine halbe Stunde ist: sich Zeit nehmen, um sich selbst zu spüren, eigene Ziele zu verfolgen. Nach einer Geburt ist es wichtig, nicht „nur“ Mama zu sein. Man ist ja auch noch Partnerin, Frau und was man sonst noch sein möchte oder ist. Das gilt natürlich auch für die Väter.
"Nach einer Geburt ist es wichtig, nicht „nur“ Mama zu sein. Man ist ja auch noch Partnerin, Frau und was man sonst noch sein möchte oder ist. Das gilt natürlich auch für die Väter."
Und das Wichtigste bei mir ist tatsächlich: Prioritäten setzen. Das muss ich tun – die wichtigsten Menschen, die wichtigsten Hobbys, die wichtigsten Pflichten. Vieles andere geht dann nicht oder erst irgendwann, aber das ist nicht schlimm.
Was ist dein größter Wunsch für deine Arbeit und welche Botschaft möchtest du Kindern und Eltern mitgeben?
Mein Wunsch ist, dass Kinder und Familien es leichter haben. Dass man aus dem Hamsterrad aussteigen und den Moment mehr genießen kann – auch das Kindsein mehr genießen kann. Dass alles wieder ein bisschen langsamer gestaltet wird. Ich möchte den Blick dafür öffnen, was einem wirklich wichtig ist und motivieren, auch dafür loszugehen.
Muss man in diesen engen Systemrahmen passen oder ist es vielleicht sogar eine tolle Fähigkeit, wenn man nicht reinpasst? Was sind meine besonderen Begabungen? Jeder soll seinen persönlichen Weg finden können und das entdecken, was ihn ausmacht.
Ich habe auf meiner Praxis-Homepage einen Spruch: „Wenn man einen Fisch daran beurteilt, wie gut er auf Bäume klettern kann, dann wird er ein Leben lang denken, dass er doof ist.“ Und so ist es ganz oft. Wenn man schaut: Was macht das Kind eigentlich aus, was macht es gerne – und diesen Bereich fördert, dann haben Kinder deutlich weniger Probleme.
Mein Wunsch wäre, dass die Schulen auch mehr Möglichkeiten bekommen, Alltägliches zu thematisieren. z. B. wie gehen wir miteinander um oder das Thema Gefühle. Es ist zwar schon im Kommen, dass dafür mehr Raum geboten wird, aber ich wünsche mir, dass noch mehr passiert. Dass man flexibler auf die Kinder eingehen kann, damit sie sich nach ihrer Persönlichkeit entfalten können und nicht nur nach einer vorgegebenen Struktur. Das wäre echt toll.
Wie kann man einen Termin bei dir vereinbaren und wie schnell bekommt man einen?
Man kann mich per E-Mail oder über meine Telefonnummer kontaktieren, die Kontaktdaten stehen auf meiner Homepage www.kindertraube-aalen.de.
Mit den Terminen ist es so, dass ich versuche, diese zeitnah zu ermöglichen. Manchmal muss man auch mit 4 bis 6 Wochen Wartezeit rechnen. Im Einzelfall kann ich Notfalltermine sehr kurzfristig anbieten. Das ist in manchen Fällen echt wichtig.











