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MAA spricht mit Wolfgang Gröber

Da sein, wenn das Leben endet – Wolfgang Gröber erzählt von seinem Ehrenamt im Hospiz

Wolfgang Gröber begleitet seit vielen Jahren Menschen in ihrer letzten Lebensphase – getragen von seinem Glauben, geprägt durch eigene Verluste und motiviert von tiefer Nächstenliebe. Im Interview erzählt er, warum der Tod für ihn heute nichts Bedrohliches mehr ist, wie ihn die Begegnungen verändert haben und weshalb es nie zu spät ist, einem anderen Menschen Licht zu schenken, wenn die Tage weniger werden.

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Bild: Wolfgang Gröber

Wolfgang, wie kam es ursprünglich dazu, dass du dich neben deiner Arbeit als selbstständiger Innenarchitekt dazu entschieden hast, ehrenamtlich Menschen am Lebensende zu begleiten?


Das hat viel mit meiner eigenen Biografie zu tun. Meine Eltern haben mir erzählt, dass ich bei der Geburt praktisch „tot“ zur Welt kam – ein Start ins Leben, der irgendwie schon früh ein besonderes Verhältnis zum Thema Tod in mir geprägt hat, auch wenn ich selbst daran natürlich keine konkrete Erinnerung habe.


"Für mich war der Tod lange etwas Bedrückendes"


Und dann habe ich in meinem Leben viele Menschen verloren, die mir sehr am Herzen lagen. Für mich war der Tod lange etwas Suspektes, etwas Bedrückendes. Etwas, das nie normal war, sondern sich immer tief in mir eingenistet hat.

Aber über die Jahre gab es Momente, in denen in mir auch ein Heilungsprozess stattgefunden hat. Gerade ein seelsorgerliches Wochenende hat vieles verändert. Da wurde ich gefragt: „Was sagt dir Armut? Was sagt dir Tod? Was sagt dir Sucht?“ – und das hat in mir etwas in Bewegung gebracht.


Kurz darauf starb mein Vater – und im Rückblick war das ein „guter Abschied“, befriedet. Es war anders als frühere Verluste. Und kurz danach habe ich zufällig einen Zeitungsartikel gelesen: Eine Gruppe ehrenamtlicher Hospizbegleiter wurde eingesegnet. Da dachte ich: Das könnte ich mir vorstellen.

Also habe ich Kontakt zum ambulanten Hospizdienst aufgenommen – und so bin ich Schritt für Schritt hineingewachsen in diese Arbeit.



Was hat dich dann, nach einigen Jahren Pause dazu bewegt, jetzt – nach deinem Renteneintritt – wieder in den Hospizdienst zurückzukehren?


Die Leidenschaft für die Menschen war nie weg. Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich wieder da sein möchte, dass ich Menschen nicht allein lassen will.


Es ist für mich ein Ausdruck von Nächstenliebe. Ein Herzensanliegen. Ich empfinde es als eine zutiefst menschliche Aufgabe, Sterbende und ihre Angehörigen in dieser schweren Lebensphase zu begleiten.

Und irgendwann war klar: Das ist meins. Das ist der Ort, an dem ich mit meiner Art und meinem Wesen etwas beitragen kann.

 


Viele Menschen scheuen den Kontakt zu Sterben oder Leid. Was bedeutet diese Arbeit für dich persönlich – emotional, menschlich und spirituell?


Für mich ist es vor allem die Möglichkeit, auf eine ganz besondere Art mit Menschen in Kontakt zu kommen. Man begegnet sich in einer Tiefe, die im normalen Alltag kaum vorkommt.


Es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe: Menschen in ihrer Endlichkeit nicht allein zu lassen.

Und spirituell? Da ist mein christlicher Glaube. Ich sehe mich als einen Kanal, durch den Gottes Liebe Menschen erreichen darf – besonders in den letzten Tagen und Stunden ihres Lebens. Ich möchte ihnen Würde, Nähe und Ruhe vermitteln. Nicht mit großen Worten, sondern durch Dasein.

 

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Du begegnest Menschen in einer sehr sensiblen Lebensphase. Was hat dich in diesen Begegnungen am meisten geprägt oder verändert?


Ich glaube, ich war schon immer ein empathischer Mensch. Ich konnte zuhören, ich konnte Menschen wertfrei annehmen. Das hat mir geholfen.


"Die Bewusstheit meiner eigenen Endlichkeit"


Aber was mich wirklich geprägt hat, ist die Bewusstheit meiner eigenen Endlichkeit. Wenn du regelmäßig bei Menschen bist, die sterben, dann wird dir klar: Das gehört zum Leben. Es ist nichts, wovor man weglaufen muss. Es triggert mich nicht – es ist ein natürlicher Abschnitt.


Für mich geht es darum, den Tagen mehr Leben zu geben, nicht dem Leben mehr Tage. Das ist eine Haltung, die sich in der Hospizarbeit noch einmal tief in mir verankert hat.



Gab es einen Moment oder eine Begegnung, die dir besonders tief in Erinnerung geblieben ist und dir gezeigt hat: Ja, das ist genau der richtige Platz für mich?


Da gibt es viele. Ich empfinde es als erstaunlich, wie schnell Menschen sich in dieser letzten Lebensphase öffnen. Es ist, als würden sie noch einmal den Tisch des Lebens freiräumen und aussprechen, was sie vielleicht Jahrzehnte verschwiegen haben.


Ich bekomme Geschichten anvertraut, die sogar ihre nahen Angehörigen nicht kennen. Und manchmal spürt man richtig, dass gerade in diesem Erzählen etwas heilt. Ein Abschluss. Ein innerer Frieden.

Was mich aber auch immer wieder sehr bewegt: Es gibt so viele Menschen, die keinerlei Kontakt mehr zu ihren Familien haben. Das trifft mich. Ich frage sie dann: „Sollen wir sie anrufen? Sollen wir es versuchen? “Manche möchten das tatsächlich. Manche bleiben beim Nein.

"Er durfte sein Kind nochmal kurz im Arm halten, dann ist er gestorben"


Eine Situation hat sich tief eingebrannt: Als ich in meiner Ausbildung Praktikum machte, begleitete ich einen jungen Mann, der Vater werden sollte. Er hat noch gewartet, bis sein Kind geboren wurde – er durfte es nochmal kurz im Arm halten, dann ist er gestorben. Da steht man da und denkt nur: Was soll der Scheiß? Es gibt Dinge, für die es keine Antworten gibt.

Aber genau dort spüre ich, warum ich da bin: Nicht, um Antworten zu geben, sondern um mit auszuhalten. Um da zu sein. Um Mensch zu sein.


 

Wie gehst du selbst mit der emotionalen Belastung um – und was hilft dir, immer wieder mit neuem Herzen hinzugehen?


Ich gehe immer ganz bewusst in eine Begleitung hinein. Auch wenn ich im Vorfeld etwas über die Person erfahre, weiß ich nie genau, was mich erwartet. Und gerade deshalb sage ich mir: Ich gehe jetzt rein – und es ist nicht mein Sterben.

Und wenn ich wieder hinausgehe, dann sage ich dasselbe: Es ist nicht mein Sterben. Ich lasse es dort.


Mein Glaube spielt dabei eine große Rolle. Ich gebe das, was schwer ist, bewusst an Gott ab. Ich sage: „Nimm du es. Ich will es nicht mit heimnehmen. “Meist funktioniert es. Manchmal nimmt man trotzdem etwas mit – das gehört dazu.

Was sehr hilft, ist die Supervision mit anderen Ehrenamtlichen. Diese Menschen sind selbst im Thema, man muss nichts erklären. Da kann man Fälle besprechen, die nagen. Es ist ein geschützter Raum, in dem man alles aussprechen darf.



Was möchtest du Menschen sagen, die darüber nachdenken, sich ehrenamtlich im Hospizdienst zu engagieren – sich aber unsicher fühlen oder Angst haben, dem emotional nicht gewachsen zu sein?


Einen allgemeinen Rat, wie man mit dem Tod umgehen soll, kann ich nicht geben. Jeder Mensch trauert anders, jeder hat eine andere Geschichte.


Aber für die, die spüren, dass sie sich engagieren möchten, aber sich noch unsicher fühlen, sage ich nur eines: Tu es. Probiere es aus.


"Es könnte genau der Moment sein, in dem du jemandem Licht bringst, der es dringend braucht"


Es gibt nichts, was man nicht korrigieren könnte. Wenn du merkst, es ist nicht deins – dann ist das völlig in Ordnung. Aber wenn du es auf dem Herzen hast, wenn du das Gefühl hast, da zieht dich etwas hin, dann mach es.

Denn jede Begegnung ist einzigartig. Jeder Moment ist einzigartig. Es könnte genau der Moment sein, in dem du jemandem Licht bringst, der es dringend braucht.

 

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