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Politik & Gesellschaft

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MAA spricht mit Marietta Hageney

Wir dürfen nicht länger das Bordell Europas sein!

Marietta Hageney kämpft für die Würde und Gleichstellung von Frauen - und damit gegen Sexkauf. Sie hat ihre Initiative von der Ostalb nach Berlin getragen und dort bereits eine Menge Gehör gefunden. Mit ihrem Team schaffte sie gar, dass sich eine der vier großen demokratischen Parteien zum Thema Prostitution mit einem Positionspapier klar gegen Sexkauf ausgesprochen hat und damit schlussendlich eine Gesetzesinitiative im Bundestag initiierte. Marietta zeigt was möglich ist, wenn man für eine Sache steht und diese strategisch und mit Fleiß und Akribie umsetzt. Aber eine Bedingung gibt es: „Nicht nur ärgern, sondern runter vom dem Sofa!“

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Bild: Stefan Baumgart

Redaktioneller Hinweis: Das Interview mit Marietta Hageney wurde im März 2025 geführt.



Marietta, du hast in unserer Demokratie etwas bewegt, von dem viele Menschen gar nicht glauben, dass so etwas möglich ist.  Aber bevor wir auf diese Geschichte eingehen – um welches Thema geht es überhaupt?

Ich beschäftige mich mit der Tatsache, dass wir im 21. Jahrhundert leben und es immer noch möglich ist, eine Frau zur sexuellen Nutzung kaufen zu können. Junge Männer wachsen bei uns mit dem Bewusstsein auf, für 30 Euro kaufe ich mir eine Frau und mit der kann ich dann machen, was ich will. Es geht mir nicht nur um Gleichberechtigung, sondern um tatsächliche Gleichstellung. Wir sind in dieser Hinsicht immer noch weit entfernt von einem ausgewogenen Zustand – und ich habe das Gefühl, dass wir uns teilweise sogar wieder rückwärts bewegen. Aber ich möchte zeigen, dass jede und jeder Einzelne etwas verändern kann. Veränderung passiert nicht, wenn man auf dem Sofa sitzt und sich nur ärgert. 

 


Und genau das hast du getan – du hast dich entschieden, aktiv zu werden. Was ist dein Ziel?

Mein Ziel ist, dass die Menschen aufhören, vor dem Thema Prostitution die Augen zu verschließen. Alle wissen, dass sie existiert, aber niemand spricht darüber. Menschen denken, Sexkauf ist in Deutschland legal, das ist staatlich geregelt, dann wird es schon seine Ordnung haben. Nein - es hat eben nicht seine Ordnung! Ich möchte, dass dieses Schweigen gebrochen wird. Die Menschen sollen sich informieren und sich eine fundierte Meinung bilden. Denn erst durch diese Auseinandersetzung kann sich tatsächlich etwas verändern.  Ich bin oft in Schulen unterwegs und werde gefragt: „Was können wir tun?“ Dann sage ich immer: „Wenn ihr das, was ihr heute hier gehört habt, fünf weiteren Menschen erzählt, dann haben wir aus einer Gruppe von 30 schon 150 informierte Personen.“ Und so verbreitet sich das Thema weiter in der Gesellschaft. Ich bin überzeugt, dass sich durch Information und Bewusstseinsbildung Veränderungen ergeben. 

 


Hast du denn schon Erfolge in unserer Region erzielt?

Ja, auch hier in der Region, vor allem auf der Ostalb, hat sich viel bewegt. Das Ostalb-Bündnis gegen Menschenhandel und (Zwangs-)Prostitution, dass sich diesem Thema widmet, ist ein gutes Beispiel. Hier haben sich Menschen zusammengeschlossen und über Jahre hinweg wichtige Arbeit geleistet. Besonders hervorzuheben ist die ehrenamtliche Kontaktgruppe von SOLWODI (Solidarity with women in distress), die bereits vor über 35 Jahren in Schwäbisch Gmünd gegründet wurde. Sie hat Pionierarbeit geleistet und mit Graswurzelarbeit viele Menschen erreicht. 

 


Und nun soll es aber bundesweit und auf der Ebene der Gesetze weiter gehen?

Ja, genau. Es reicht nicht, nur Bewusstsein in der Gesellschaft zu schaffen – wir brauchen nachhaltige Veränderungen durch Gesetze. Ich habe einen Leitspruch, den ich von einer Kollegin übernommen habe: „Gesetze schaffen Kultur.“




Es reicht nicht, nur Bewusstsein in der Gesellschaft zu schaffen – wir brauchen nachhaltige Veränderungen durch Gesetze. Ich habe einen Leitspruch, den ich von einer Kollegin übernommen habe: „Gesetze schaffen Kultur.“




Wenn wir eine echte Veränderung wollen, brauchen wir klare gesetzliche Regelungen. Prostitution ist in erster Linie ein bundesrechtliches Thema. Gemeinden können zwar bestimmte Regeln aufstellen, und es gibt gute Beispiele, wo das funktioniert, aber das reicht nicht. Wir brauchen eine grundlegende Veränderung durch eine Gesetzesinitiative. 

 


Das ist eine ermutigende Geschichte – ihr habt euch aus dem kleinen Aalen auf den Weg nach Berlin gemacht, um diese Initiative anzustoßen. Was wollt ihr erreichen?

Unser Ziel ist, dass Deutschland sich an den nordischen Ländern orientiert – insbesondere an Schweden. Dort wurde vor über 20 Jahren das sogenannte „Nordische Modell“ eingeführt. Dieses Modell besagt, dass der Kauf von Sex strafbar ist. Die Gesellschaft trifft damit eine klare Entscheidung: Sie akzeptiert nicht, dass Menschen zur sexuellen Benutzung gekauft werden. In Schweden beispielsweise werden Sexkäufer nicht nur bestraft, sondern auch öffentlich zur Verantwortung gezogen. Ihr Arbeitgeber wird informiert, und viele Unternehmen dort haben eine klare Haltung: Sie wollen keine Mitarbeiter, die Sex kaufen. Sie wollen eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen sich mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen – und Prostitution steht dem im Weg. Dort gibt es schon im Kindergarten eine ganz andere Erziehung und Haltung im Hinblick auf Geschlechterrollen als bei uns. In vielen Bereichen herrscht bereits von Anfang an eine viel höhere Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Sie haben auch ein anderes Frauenbild. Man kann lange darüber diskutieren, woher das kommt, aber auf jeden Fall haben sie vor über 20 Jahren eine erfolgreiche Gesetzesänderung gestartet – und diese Gesetzgebung – adaptiert auf deutsche Verhältnisse brauchen wir auch, damit wir nicht länger „das Bordell Europas“ sind.

 


Bist du eine Lobbyistin?

Ich würde mich selbst so bezeichnen und finde den Begriff nicht negativ. Natürlich bin ich nicht allein, sondern arbeite mit vielen Aktivistinnen zusammen. Inzwischen ist es in allen Parteien angekommen, dass die derzeitige Gesetzeslage so nicht bleiben kann. Allerdings wurde das Prostitutionsgesetz bereits zweimal überarbeitet zuletzt 2016 und nennt sich seither Prostituiertenschutzgesetz – jedes Mal wurde es immer weiter ausgebaut, mit zusätzlichen Ausnahmeregelungen, die angeblich den Schutz der Frauen verbessern sollten. Ein Beispiel ist die Einführung der Kondompflicht, die als großer Durchbruch gefeiert wurde. Aber in der Praxis gab es nie eine Anzeige, dass diese Pflicht nicht eingehalten wurde. Wer kontrolliert das überhaupt? Das zeigt, dass an der eigentlichen Problematik vorbeigearbeitet wird. Wir wollen verhindern, dass es zu einer dritten, wieder unzureichenden Novellierung kommt. Inzwischen hat auch die Politik erkannt, dass sich etwas ändern muss. Nach 25 Jahren ist das Thema nun wirklich bei allen angekommen – die bisherigen Regelungen sind krachend gescheitert. Bevor jetzt erneut eine halbherzige Gesetzesänderung kommt, fordern wir eine grundsätzliche Überprüfung der Prostitution in Deutschland nicht nur im Hinblick auf Artikel 1, der Frage der Würde des Menschen im Grundgesetz, sondern auch mit der Frage nach der Gleichstellung der Geschlechter. 

 


Ihr seid mit eurer Initiative schon weit gekommen. Wie bist du an die Kontakte gekommen, die du dafür gebraucht hast?

Es gibt im Bundestag aktuell 784 Abgeordnete – bald werden es etwa 100 weniger sein. Man erkennt relativ schnell, wie die einzelnen Abgeordneten zu bestimmten Themen stehen. In den Parteien gibt es oft klar benannte Ansprechpersonen für bestimmte Themen. Zum Beispiel verweist die SPD beim Thema Prostitution immer auf Frau Breymaier, weil sie in ihrer Partei als Expertin gilt.  Wir nutzen dann verschiedene Wege, um an die richtigen Personen heranzukommen. Plattformen wie Abgeordnetenwatch sind hilfreich, aber noch effektiver ist es, wenn Wählerinnen und Wähler direkt ihre Abgeordneten kontaktieren. Wenn ich eine Abgeordnete aus Hamburg frage, werde ich wahrscheinlich keine Antwort bekommen. Aber wenn eine Kollegin aus ihrem Wahlkreis sie anspricht – sei es auf der Straße, an einem Marktstand oder über Abgeordnetenwatch –, dann stehen die Chancen deutlich besser. Deshalb ist es wichtig, dass wir viele Unterstützerinnen und Unterstützer haben. Ich war Mitgründerin des „Bundesverbandes Nordisches Modell“, der mittlerweile ein eingetragener Verein ist und über 100 Organisationen und Einzelpersonen umfasst. Wir wissen genau, wer in welchem Wahlkreis lebt und fordern unsere Kolleginnen und Kollegen gezielt dazu auf, ihre Abgeordneten anzusprechen und zur Stellungnahme zu bewegen. Als Ende Dezember die ersten Wahllisten veröffentlicht wurden, mussten wir mit 16 Bundesländern und den einzelnen Parteien telefonieren, um die Listen zu erhalten. Danach haben wir die Kandidierenden mit den besten Listenplätzen identifiziert, ihre Adressen herausgesucht und sie direkt kontaktiert – inklusive Informationsmaterial und speziell gestalteter Postkarten, um ins Gespräch zu kommen. 

 


Das klingt extrem strukturiert und professionell geplant.

Ja, das muss strategisch angegangen werden. Wir verschwenden keine Zeit mehr damit, uns mit den ewigen Prostitutionsbefürwortern auseinanderzusetzen, die immer dieselben Argumente wiederholen. Viele Abgeordnete waren 2002 bei der Liberalisierung bereits in der Regierung und tun sich heute schwer damit, einen Fehler einzugestehen.

 


Ihr sucht gezielt die Abgeordneten heraus, die offen für euer Anliegen sind?

Ja, genau. Es gibt nicht nur "alte weiße Männer", sondern auch "alte weiße Frauen", die sich nicht mehr umstimmen lassen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf diejenigen, die noch unentschlossen sind oder bereits leise Unterstützung signalisieren. Ein Beispiel ist Ricarda Lang von den Grünen – sie steht ihrer Partei gegenüber natürlich loyal, aber sie ist nicht weit von unserer Position entfernt und sagt klar, wir brauchen eine Veränderung und zwar bald. Ich habe mit ihr gesprochen, und sie nutzt ihre Kontakte, um das Thema intern weiterzutragen. 

 


Wie wird daraus eine konkrete Gesetzesinitiative?

Zunächst benötigen Abgeordnete gute Argumente – nicht nur empirische Daten, sondern auch eine rechtsethische Grundlage. Ein großes Problem in Deutschland ist dabei der Mangel an belastbaren Zahlen. Wir haben Statistiken zu jedem Hühnchen in einer Legebatterie, aber wir wissen bis heute nicht, wie viele Frauen in der Prostitution sind.




Wir haben Statistiken zu jedem Hühnchen in einer Legebatterie, aber wir wissen bis heute nicht, wie viele Frauen in der Prostitution sind.




Das macht es schwierig, weil unsere Gegenseite diesen Mangel ausnutzt. Aber es geht nicht nur um Zahlen, sondern auch um den Begriff der Menschenwürde und der Autonomie. Wie definiert sich Würde? Was bedeutet persönliche Autonomie im Kontext der Prostitution?  Unser Grundgesetz besagt, dass der Staat alle Menschen schützen muss. Doch in der Prostitution verliert eine Frau diesen Schutz, sobald der sogenannte Prostitutionsakt beginnt. Wenn eine Frau während der Prostitution „Stopp“ sagt, hat sie kaum eine Chance, tatsächlich geschützt zu werden. Sie gibt in dieser Situation einen Teil ihrer Autonomie ab, weil sie körperlich oft unterlegen ist. Es gibt in Deutschland zwar gesetzliche Vorgaben, wie etwa den roten Alarmknopf am Bett, den Frauen im Notfall drücken können – aber das ist in der Praxis völlig unrealistisch.

 


Wie habt ihr den Mangel an Daten und Wissenschaftlichkeit gelöst?

Gemeinsam mit einer Ethikerin und Volkswirtin, einem Juristen und einem ehemaligen Verfassungsrichter haben wir eine Forschungsarbeit ins Leben gerufen. Die Initialzündung dafür kam von uns auf der Ostalb. Wir haben Fachleute, Politikerinnen und Politiker sowie eine Überlebende der Prostitution an einen runden Tisch gebracht – darunter auch Vertreterinnen der CDU und SPD. Unsere Frage war: Wie kann man dieses Thema wissenschaftlich fundiert analysieren?  Die Studie wurde innerhalb eines Jahres erstellt und war so hochwertig, dass der renommierte Nomos Verlag sie in Buchform veröffentlicht hat – das war zunächst gar nicht geplant, aber natürlich ein großer Erfolg. Dadurch konnten wir auch gezielt Pressearbeit betreiben. 

 



Der Spiegel hat mit der Schlagzeile „Wir werden uns schämen“ den Auftakt gemacht, das war unglaublich. Eine Reportage mit sieben Seiten im Spiegel spricht für sich!





Welche Rolle spielte die Medienpräsenz?

Öffentlichkeit ist entscheidend. Es reicht nicht, nur Politikerinnen und Politiker zu überzeugen – das Thema muss auch in die Gesellschaft getragen werden. Deshalb haben wir die Ergebnisse der Studie verständlich aufbereitet und in 13 zentralen Punkten zusammengefasst. Die Medienresonanz war enorm: Die Bild-Zeitung, die Frankfurter Allgemeine, die Süddeutsche Zeitung, die Welt, der Spiegel – alle großen Medien haben darüber berichtet. Der Spiegel hat mit der Schlagzeile „Wir werden uns schämen“ den Auftakt gemacht, das war unglaublich. Eine Reportage mit sieben Seiten im Spiegel spricht für sich!

 


Das heißt, die Forschungsarbeit hat nicht nur für Aufmerksamkeit gesorgt, sondern auch eine politische Debatte angestoßen?

Ja, definitiv! In der politischen Welt hat das Thema nun einen festen Platz. Die Studie hat nicht nur die notwendigen Zahlen, Daten und Fakten geliefert, um das Thema sachlich und fundiert zu diskutieren, sondern auch die ethische Perspektive: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – und das muss auch für Frauen in der Prostitution gelten und darf keine Leerformel sein. Die CDU hat daraufhin ein Positionspapier erstellt, das deutlich von den Erkenntnissen der Forschungsarbeit geprägt ist. Sie sind mit diesen neuen Erkenntnissen auch mutig in ihre eigene Fraktion gegangen. Natürlich gibt es immer noch Widerstände – auf dem Land hört man oft Aussagen wie „Prostitution gibt es doch schon immer, das ist das älteste Gewerbe der Welt“. Aber wenn Politiker wie Friedrich Merz oder Alexander Dobrindt sich klar für Reformen positionieren, dann ist das ein starkes Signal. Dieses Positionspapier führte schließlich zu einem Antrag im Bundestag, der in die erste Lesung ging. Dabei wurden Expertinnen und Experten eingeladen, und es gab eine zweistündige Debatte im Bundestag – ein echter Erfolg. 

 


Das heißt, ein Thema, das von der Ostalb aus initiiert wurde, wurde im Bundestag zwei Stunden lang diskutiert?

Ja, genau! Natürlich ist das Thema Prostitution nicht neu und nicht nur wegen des Anstoßes aus der Ostalb wurde diskutiert, aber die Forschungsarbeit hat die Debatte auf eine fundierte und sachliche Basis gestellt. Besonders die Frauen in der CDU und CSU haben sich stark engagiert. Es gab auch eine hochkarätige Expertenanhörung, bei der unter anderem der amtierende Duisburger Polizeipräsident sehr klare Worte gefunden hat.

 


Wie geht es jetzt weiter?

Eigentlich hatten wir gehofft, dass die aktuelle Regierung das Thema bis Juni weiterbearbeitet, weil eine wichtige Evaluation vom Familienministerium in Auftrag gegeben wurde. Aber durch den Regierungswechsel wird jetzt alles auf null gesetzt. Alle bisherigen Lesungen, Anträge und Eingaben sind damit hinfällig. Das würde bedeuten, wir müssen in der nächsten Legislaturperiode wieder von vorne anfangen. Sollte die CDU/CSU die führende Partei werden, dann bin ich sicher, dass sie weitermachen. Sie haben das Thema Sexkaufverbot schließlich in ihrem Wahlprogramm.

 


Was sind die nächsten Schritte?

Jetzt kommt es auf die Koalitionsverhandlungen an. In so einem Koalitionsvertrag versuchen Parteien, sich auf Themen zu einigen, bei denen sie nah beieinander liegen. Die CDU ist sehr klar in ihrer Haltung, die SPD ist schwieriger, die Grünen noch schwieriger, die AfD hat keine offizielle Position dazu. Aber uns geht es nicht darum, eine Partei zu unterstützen, sondern darum, das Thema voranzubringen. Man muss jetzt strategisch vorgehen, die richtigen Ansprechpartner finden und das Thema so positionieren, dass es nicht in den Verhandlungen untergeht. Für uns bedeutet das: Wir müssen dranbleiben, Netzwerke nutzen und sicherstellen, dass Prostitution nicht einfach „wegverhandelt“ wird. Wir haben bereits jetzt vorausschauend gehandelt und die neuen Abgeordneten angeschrieben – vor allem diejenigen, die auf den ersten beiden Listenplätzen stehen, weil sie die größten Chancen auf ein Mandat haben.  Wir wollen, dass die Politikerinnen und Politiker das Thema aus der Perspektive der Betroffenen betrachten und die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen erkennen. 

 


Ihr seid nur ein paar Ehrenamtliche. Wie schafft ihr es trotzdem wirksam zu sein? 

Unsere Geschichte zeigt, dass es möglich ist, auch mit begrenzten Ressourcen etwas zu bewegen. Wir haben es geschafft, unser Thema weit nach vorne zu bringen. Wir sind ein gutes Beispiel für effiziente Teamarbeit!

 


Ihr habt gelernt, wie das System funktioniert und das Wissen effizient genutzt?

Ja, genau. Wir wussten anfangs nicht, wie das geht. Aber wir haben von anderen Lobbyisten gelernt – auch von denen, mit denen wir inhaltlich nicht übereinstimmen. Wir haben uns angeschaut, wie sie arbeiten, und davon einiges übernommen. 

 


Gibt es auch persönliche Kontakte?

Eine Kollegin von uns war zum Beispiel beim Herbstfest der CDU und saß dort neben Jens Spahn. Ich selbst hatte Treffen mit Dorothee Bär, Saskia Esken und Ricarda Lang. Ich treffe mich bald mit den Grünen aus Berlin-Mitte. Das ist eine der polarisierenden Gruppen innerhalb der Partei. Sie haben sich bei uns gemeldet und wollen ein Expertengespräch führen. Natürlich sitzt dort auch die Pro-Prostitutions-Lobby mit am Tisch – eine gut finanzierte Gruppe, hinter der nicht selten Bordellbetreiber stehen. 

 


Wie geht ihr mit solchen Situationen um?

Wir haben beschlossen, nicht nur per Zoom teilzunehmen, sondern persönlich nach Berlin zu fahren. Das macht einen Unterschied. Man wird ernster genommen, wenn man physisch vor Ort ist. Also haben wir günstige Tickets besorgt und übernachten bei Freunden. So läuft das bei uns. 

 


Was würdest du anderen empfehlen, die selbst etwas verändern wollen? 

Das Wichtigste ist, Allianzen zu bilden. Allein ist es schwer. Im Team kann man sich gegenseitig reflektieren und weiterentwickeln. Man muss sich fragen: Bin ich zu emotional? Gehe ich richtig an die Sache heran? Deswegen arbeite ich eng mit meinen Kolleginnen zusammen. Es ist hilfreich, wenn man sich gegenseitig als eine Art Korrektiv hat. In einer Gruppe braucht es Menschen, die überzeugt sind und auf intellektueller Ebene gut zusammenpassen. 

 


Sprecht ihr die Menschen, die euch unterstützen könnten, direkt an?

Es ist erstaunlich, wie wenige Absagen man bekommt, wenn man sich einfach traut.




Es ist erstaunlich, wie wenige Absagen man bekommt, wenn man sich einfach traut.




Ein Beispiel: Ich habe heute bei der Charité in Berlin angerufen. Da gibt es eine hochdotierte Wissenschaftlerin, die eine Studie durchgeführt und erste Ergebnisse präsentiert hatte. Ich wollte unbedingt mit der Professorin sprechen, aber auf meine E-Mails kam keine Antwort. Also habe ich zum Telefon gegriffen und das Sekretariat erreicht. Und siehe da – plötzlich wurde mir ein Gespräch mit ihr vermittelt. Es zeigt: Hartnäckigkeit zahlt sich aus. 

 


Hartnäckig sein, mutig sein – und auch die Presse mit ins Boot holen?

Ja, definitiv! Pressearbeit ist ein großes Thema. Journalistinnen und Journalisten schreiben nicht einfach über irgendetwas – man muss ihnen schon etwas bieten. Es braucht neue Erkenntnisse, spannende Ergebnisse. Gleichzeitig muss man auch ein Gespür für Menschen haben. Empathie ist hier ein entscheidender Faktor. 

 


Wie teilt ihr euch in die Arbeit?

Wir schauen, wer am besten für bestimmte Situationen geeignet ist. Manche sind ruhiger und weniger emotional, andere können bestimmte Themen souveräner vertreten. Mich schickt man vor allem dann, wenn es um Augenhöhe geht. Ich habe wohl eine gewisse Autorität, die mir in solchen Situationen hilft. Das war schon in anderen Kontexten so – zum Beispiel in Bordellen. Dort haben mir die Zuhälter und die Rezeptionisten oft sofort die Pässe hingelegt, weil sie dachten, ich sei vom Ordnungsamt (lacht). Ich kann sagen: „Ich bin geschäftsführende Vorständin von „SOLWODI Baden-Württemberg e.V..“ Es verschafft mir eine gewisse Präsenz. Ich habe sogar eine speziell designte Visitenkarte, Doppelkarte, die neben Name und Adresse schon mal gleich erklärt wo wir stehen!

 

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Sehr gerne.

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